Nun auf die andere Seite, wo ich meine Studierstube eingerichtet habe! Die Schränke und Bücherregale haben hier alle Wände dergestalt besetzt, daß nicht einmal für ein einziges Bild Raum geblieben ist! Da außerdem die Tische, sämtliche Blumen usw. darin stehen, so kann man sich, wenn man sehr vorsichtig und langsam ist, mit vieler Mühe und beständiger Gefahr, an einer Ecke hängen zu bleiben, bis zur Straßenseite hindurcharbeiten. Das ist aber noch gar nichts gegen Deine große Schlafstube, welche wie eine leibhaftige Krambude, vereinigt mit einem Möbelmagazin, aussieht. Tische, Betten, Schränke, Stühle, Bilder, Spielzeug, Hausgerät etc. sind hier dergestalt bis zur Decke aufgetürmt, daß nur eine schlanke Person männlichen Geschlechts sich durch den in der Mitte gebliebenen Fußpfad bis zur anderen Tür hindurchwinden kann! Es ist wirklich der Mühe wert, von Nauhein her eine Vergnügungsreise nach der Jenaer Neugasse zu unternehmen, bloß um dieses Chaos zu sehen. Clärchen, die gestern hier war, um den Anblick dieses Chaos zu genießen, wurde so schwach davon, daß nur das Eau-de- Cologne-Fläschchen sie vor dem völligen Umsturz behütete. (Hätte ich mich nicht noch rasch besonnen, daß sie eine geborene Huschke sei, so hätte ich über diesen Schwächeanfall selbst einen furchtbaren Schrecken bekommen!) Laura hat die ganze Woche gehörig arbeiten müssen, was sie auch unter vieler Rührung, viel Seufzen und Tränen endlich getan hat. Übrigens unterließ sie nicht, durch möglichst schwungvolle Bewegungen ihrer zierlichen Glieder ihre ganze angeborene Anmut zu entfalten. Nachdem sie die ersten paar Fensterscheiben zerbrochen hatte, unterließ sie die Fortsetzung auf die Drohung hin, von nun an alles Zerbrochene ersetzen zu müssen.
Von unsern beiden süßen Knospen kann ich Dir fortdauernd nur Gutes melden. Walter ist so wild und ungezogen als möglich und will immer "mal drauf reiten"! Er tobt gehörig den ganzen Tag im Garten herum und erfreut sich seiner mütterlichen Freiheit nach Kräften. An seine Mutter denkt er auch zuweilen, wünscht jedoch, daß sie ohne Hut und ohne Regenschirm zurückkehrt! Die kleine Lisbeth ist recht munter, so sanftmütig und still wie ihre Mama, schlägt auch ebenso entzückend ihre Augen auf . . .
Er wird Dich sehr amüsieren, daß Carlo bei seiner Expedition mit der kleinen Emma wieder sein gewöhnliches Reise-Peck gehabt hat. Erst ist der bestellte Wagen zu spät gekommen, dann der Zug schon fort gewesen! Endlich hatte er per Telegraph in Eisenach (natürlich im 1. Hotel!) Zimmer für seine Verwandten bestellt. Diese sind aber erst am folgenden Tage gekommen, so daß wieder ca. 25 Rl. umsonst weggeworfen sein werden! Was aber das Possierlichste ist: Carle wollte von Apolda zu Fuß zurückgehen, bekam aber von seinen Verwandten soviel für seine Frau aufgepackt, daß der (horrible dictu!!) - zum erstenmal in seinem Lebgen - mit dem Bummler zurückfahren mußte, und zwar wegen Überfüllung obenauf sitzend! . . .
Nun, liebstes Röschen, wünsche ich Dir von Herzen beste Kur und schönes Wetter. Grüße mir Deine liebe Frau Mama (die Dich gewiß mit Freude verpimpelt!) von Herzen, und ich wünsche ihr gute Besserung. Grüße mir Deine Nauheimer Freunde etc., vor allem die reizende kleine Bode! Wie heißt sie denn eigentlich? Gewiß Agnes oder Therese-Röschen? . . .