X.

Meine Herren!

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In dem Stadium der Entwickelung, in welchem wir zuletzt das Ei des Säugethieres verlassen haben, stellt dasselbe, wie Sie sich erinnern werden, eine kugelige, mit klarer Flüssigkeit gefüllt Blase dar, die Keimblase oder Keimhautblase (Blastophaera oder Vesicula blastodermica). Die dünne Wand dieser Keimblase, die Keimhaut (Blastoderma) bestand aus zwei verschiedenen Zellenschichten, den beiden primären Keimblättern. An einer Stelle zeigt sich dieselbe scheibenartig verdickt, und diese kreisrunde scheibenförmige Verdickung hatten wir die Keimscheibe (Blastodiscus) oder den Fruchthof (Area germinativa) genannt. Das ist derjenige Theil des Eichens, aus welchem sich der embryonale Körper zunächst entwickelt (Fig. 35 c).

In diesem Stadium befindet sich das Eichen, welches aus dem Eierstock des Weibes in den Eileiter übergetreten und hier von dem entgegenkommenden Sperma befruchtet worden war, bereits in dem Fruchtbehälter (in der sogenannten Gebärmutter oder dem Uterus), und hier verweilt nun dasselbe bis zu seiner vollständigen Ausbildung. Die äussere glatte Umhüllung der Eizelle, welche wir früher als die dicke durchsichtige äussere Eihaut oder Zona pellucida kennen gelernt haben, hat sich während dessen in eine dünne Membran verwandelt, die an der Oberfläche mit feinen warzenähnlichen oder zottenartigen Hervorragungen bedeckt ist (Fig. 35 a). Diese Zotten der Eihaut greifen in entsprechende Vertiefungen der Uterus-Schleimhaut des mütterlichen Fruchtbehälters ein und sichern so dem Eichen eine feste Lage. Sie sind Producte, Ausscheidungen oder Ablagerungen dieser Schleimhaut selbst und entstehen also ohne Mitwirkung des Eies. Die zottige äussere Eihülle, welche anfänglich Zona pellucida genannt wurde, heisst Chorion oder äussere Eihaut, und ihre zahlreichen feinen Wärzchen heissen Chorion-Zotten (Fig. 35 a)44).

Die Keimhaut oder das Blastoderm, welches die Wand der kugeligen Keimblase bildet, besteht in deren ganzer Ausdehnung (auf der gesammten Obefläche der Kugel) aus den beiden primären Keimblättern; die äussere oder obere Schicht ist das animale oder seröse Blatt, das Exoderm; die innere oder untere Schichte ist das vegetative oder mucöse Blatt, das Entoderm. Nur in dem Bezirke des Fruchthofes, der als kreisrunde, dickere, dunkle Scheibe an einer Stelle der hellen Keimhaut scharf sich abhebt (Fig. 35 c), ist bereits zwischen diesen beiden primären Keimblättern ein drittes, mittleres Blatt bemerkbar, das von Remak so genannte "motorsich-germinative" Blatt, welches wir kurz das Mesoderm oder Mittelblatt nennen wollen. Dasselbe bleibt zunächst auf den Bezirk des Fruchthofes beschränkt und wächst erst später zwischen äusseren und innerem Keimblatt rings um die kugelige Blase herum.

Das Mittelblatt oder Mesoderm wird auch oft Muskelblatt genannt, weil unter seinen verschiedenen Producten sich die Fleischmassen der Muskeln besonders bemerkbar machen. Man könnte es auch das Faserblatt nennen, weil vorzugsweise die faserigen Gewebe aus ihm hervorgehen. Aus ihm entsteht sowohl die Muskulator des Rumpfes, als diejenige des Darmes. Das Muskelblatt oder Mittelblatt der Säugethiere enthält bereits in sich vereinigt alle diejenigen Zellen, deren Abkömmlinge später alle die verschiedenen Theile bilden, die aus dem Hautfaserblatte und aus dem Darmfaserblattee hervorgehen. Diese beiden Faserblätter (die wir früher als zwei ursprünglich verschiedene secundäre Keimblätter kennen gelernt haben) entwickeln sich also bei den Wirbelthieren scheinbar aus einer gemeinsamen Anlage, einem einzigen ursprünglichen Mittelblatte. Dieses spalten sich erst später in jene beiden Muskellagen. Darin scheint ein auffallender Unterschied von den höheren wirbellosen Thieren zu liegen, bei denen deutlich das äussere Hautfaserblatt aus dem Exoderm, das innere Darmfaserblatt aus dem Entodern hervorgeht. Das können wir z. B. beim Embryo des Regenwurmes (Fig. 36) sehr klar nachweisen. Wie wir aber später sehen werden, ist dieser Widerspruch nur scheinbar. Das Verhalten der Wirbellosen stellt in dieser Beziehung das ursprüngliche Entwickelungs-Verhältniss dar, aus welchem dasjenige der Wirbelthiere erst secundär abzuleiten ist. Das ergiebt sich aus der Homologie der vier secundären Keimblätter, die bei den Wirbellosen wesentlich dieselben Fundamental-Organe bilden, wie bei den wirbellosen Thieren (Fig. 36-39).

Der auffallende Gegensatz, den die Wirbelthiere und Wirbellosen hierin zu bieten scheinen, erklärt sich dadurch, dass bei den Wirbelthieren sehr frühzeitig (wahrscheinlich schon in der silurischen Zeit oder noch früher) im Axentheile der Keimscheibe eine innige Verwachsung der beiden Mittelblätter oder Faserblätter eintrat, welche durch die Ausbildung des festen Axen-Skelets veranlasst wurde. Hier iim Centrum der Körpers, rings um den festen Axenstab, der allen übrigen Theilen als innere Stütze und sichere Anhaltslinie dient, vereinigten sich das Hautfaserblatt und das Darmfaserblatt schon frühzeitig durch Verwachsung (oder Concrescenz) so innig, dass diese Anpassung bald erblich wurde, und dass später in Folge abgekürzter Vererbung ihre ursprüngliche Anlage als eine gemeinsame, als ein einfaches Mittelblatt erschien.

Nach dieser Anschauung hätten wir also anzunehmen, dass auch bei den Wirbelthieren (wie bei den Wirbellosen) ursprünglich, primär oder in erster Linie, Hautfaserblatt und Darmfaserblatt getrennt entstanden (ersteres aus dem animalen, letzteres aus dem vegetativen Keimblatte); dass ihre scheinbar gemeinsame Entstehung aus einem einfachen mittleren Blatte oder Mesoderm ein nächträglicher, secundärer Vorgang sit, und dass die erst später eintretende Spaltung des letzteren in die beiden ersteren mithin erst in dritter Linie, als tertiär stattfand. Ontogenetisch entstehen allerdings jetzt beide Faserblätter durch Spaltung aus einem einfachen Mittelblatte, aus Remakīs motorisch-germinativen Blatte. Phylogenetisch ist aber früher das letztere umgekehrt erst durch Verwachsung der beiden ersten entstanden.

Diese Anschauung, welche ich zuerst bei Begründung meiner Gastraea-Theorie43) aufgestellt habe, und welche mit für das biogenetische Verständniss des Thierkörpers sehr wichtig zu sein scheint, stützt sich vorzüglich auf zwei sehr bedeutungsvolle Thatsachen: erstens auf die getrennte Entwickelung der beiden Faserblätter bei Amphioxus, und zweitens auf die frühzeitige Verwachsung der beiden primären Keimblätter bei den höheren Wirbelthieren. Bei dem Amphioxus oder Lanzetthierchen, jenem niedersten Wirbelthiere, das in so vielfacher Beziehung uns die unschätzbarsten Aufschlüsse über die höheren Wirbelthiere liefert, entstehen nach der sehr wichtigen Beobachtung von Kowalevsky die beiden Faserblätter oder Muskelblätter ganz unabhängig von einander (Fig. 38). Das Hautfaserblatt (hm) entwickelt sich aus dem äusseren primären Keimblatte und spaltet sich von dem Hautsinnesblatte ab (hs). Hingegen entsteht das Darmfaserblatt (df) aus dem inneren primären Keimblatte udn spaltet sich von dem Darmdrüsenblatte ab (dd). Zwischen beiden tritt der Hohlraum der Leibeshöhle auf (c). Da nun aber der tiefstehende Amphioxus das ursprüngliche Verhalten zeigt, und da die vier secundären Keimblätter dieses uralten schädellosen Wirbelthieres unzweifelhaft gleichwertig oder homolog denselben vier Blättern beim Menschen und allen anderen Wirbelthieren sind, so müssen sie auch bei den letzteren ursprünglich (phylogenetisch!) ebenso wie beim Lenzetthierchen entstanden sein.

Nicht minder bedeutungsvoll für diese wichtige Frage ist die Verwachsung der beiden primären Keimblätter im Axentheile der Keimscheibe, welche sehr frühzeitig bei allen höheren Wirbelthieren stattfindet (Fig. 43, 44, 45, S. 201, 202). Durch diese Verwachsung entsteht der sogenannten "Axenstrang", welcher aus Zellen jener beiden ursprünglichen Keimblätter zusammengesetzt ist und von welchem die Bildung des dritten, mittleren Blattes eigentlich mit ausgeht. Wir werden auf diesen wichtigen Vorgang gleich bei Betrachtung der Querschnitte ausführlich zurückkommen, und wollen hier nur ausdrücklich darauf hinweisen, wie sehr derselbe für unsere Ansicht spricht. Denn es zeigt sich gerade hier ganz deutlich, dass das mittlere Blatt von Anfang an aus Zellen beider primären Keimblätter zusammengesetzt ist. Wenn sich dasselbe später in die beiden Faserblätter spaltet, so wird das Hautfaserblatt (Fig. 39 hm) aus den ursprünglichen Zellen des äusseren (hs) und ebenso das Darmfaserblatt (df) aus den ursprünglichen Zellen des inneren primären Keimblattes (dd) gebildet45).

Vorläufig wollen wir jedoch in diese wichtigen Verhältnisse nicht tiefer eindringen, sondern zunächst die weiteren Differenzirungen betrachten, welche in dem peripherischen Theile der Keimscheibe vor sich gehen. Diese erscheint jetzt ebenso beim Embryo der Säugthiere, wie der Vögel und Reptilien als eine dreiblätterige kreisrunde Scheibe. Indem in ihrem äusseren Randtheile eine peripherische Zellenwucherung stattfindet, können wir bald eine hellere Mitte und einen dunkleren Rand unterscheiden. Der klare hellere Mitteltheil wurd der durchsichtige oder helle Fruchthof (Area pellucida) genannt; der trübe, dunklere Ring, der ihn umgiebt, heisst dunkler Fruchthof oder Gefässhof (Area opaca). Sodann geht die kreisrunde Gestalt des Fruchthofes in eine länglich runde und weiterhin in eine ovale oder eiförmige über (Fig. 40). Das eine Ende ist breiter und mehr rund, das andere schmaler und mehr spitz.

Jetzt erscheint in der Mitte des hellen Fruchthofes ein trüber grosser ovaler Fleck, der anfangs nur sehr zart, kaum bemerkbar ist, bald aber sich deutlicher abgrenzt und nunmehr als ein länglicher runder oder ovaler Schild vortritt, der von zwei Ringen umgeben ist (Fig. 40). Der innere hellere Ring ist der Rest des hellen Fruchthofes; der äussere dunklere Ring ist der dunkle Fruchthof; der trübe schildförmige Fleck selbst aber ist von der grössten Bedeutung: er ist nichts anderes, als die erste Anlage des zukünftigen Säugethierleibes, der Urkeim oder die Embryonal-Anlage (der "Doppelschild" von Remak, Protosoma anderer Autoren). Er entsteht dadurch, dass die Zellen des äusseren und mittleren Blattes sich im Centrum des hellen Fruchthofes stärker vermehren und zu mehrfachen Lagen anhäufen. Das innere Blatt bleibt dabei noch einfach. Durch die ovale Gestalt des Urkeims ist zugleich schon ein Unterschied zwischen Vorn und Hinten angedeutet; die abgerundete Partie der Embryonal-Anlage entspricht dem vorderen oder Kopfende; die spitzere Partie dem hinteren Rumpf- oder Schwanzende.

Nun zeigt sich plötzlich in der Mitte dieses länglich-eirunden, scheibenförmigen Urkeims ein kleiner, zarter Streifen, der Primitivstreifen, wodurch die Embryonal-Anlage in zwei Hälften zerfällt: in die rechte und linke Seitenhälfte. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich bald, dass dieser ausserordentlich zart auftretende Primitivstreifen der Ausdruck einer rinnenförmigen Vertiefung, einer Furche ist, welche wir die Primitivfurche, Markfurche oder Rückenfurche nennen. Diese ist am hinteren Ende etwas breiter als am vorderen. Beiderseits dieser Furche erhebt sich etwas die Fläche der Keimscheibe, indem rechts und links von derselben das äussere Keimblatt eine leistenförmige Verdickung bildet. Diese beiden Leisten oder Wülste heissen die Rückenwülste oder Markwülste.

Während sich die zarte Primitivrinne zur Rückenfurche vertieft, und sich beiderseits derselben die Rückenwülste höher erheben, nimmt der länglich runde Fruchthof wieder seine frühere kreisrunde Gestalt an. Der Urkeim hingegen geht aus der eiförmigen Gestalt in die sogenannte leierförmige oder sohlenförmige Gestalt über. Der länglich runde, blattförmige Körper desselben wird nämlich in der Mitte etwas eingeschnürt, während das vordere und hintere ende etwas verdickt hervortritt (Fig. 41). Diese sehr charakteristische Gestalt, welche man am passendsten mit einer Schuhsohle, einem Bisquit, einer Geige oder einer Leier vergleicht, bleibt nun beim Embryo der Säugethiere (und ebenso auch der Vögel und Reptilien) geraume Zeit hindurch bestehen. Der Urkeim des Menschen nimmt diese Schuhsohlen-Form bereits in der zweiten Woche seiner Entwickelung an (Fig. 42). Gegen Ende dieser Woche besitzt derselbe eine Länge von ungefähr einer Linie.

Wir wollen nun zunächst den Fruchthof ganz ausser Acht lassen, da uns dessen Veränderungen erst viel später interessiren, und wenden unsere ganze Aufmerksamkeit dem sohlenförmigen Urkeime oder der embryonalen Körperanlage im engsten Sinne zu, aus welcher allein sich der bleibende Körper der Säugethiere, Vögel und Reptilien entwickelt. Um die weiteren Entwickelungsvorgänge dieses Urkeims zu verstehen, müssen wir uns einer Methode bedienen, welche erst durch Remak zu voller Geltung gebracht ist, nämlich der Betrachtung von Querschnitten, welche man in der Richtung von rechts nach links senkrecht durch die dünne Scheibe des Urkeims legt. Nur indem man diese Querschnitte auf das Sorgfältigste Schritt für Schritt in jedem Stadium der Entwickelung untersucht, kommt man zum vollen Verständniss der Vorgänge, durch welche sich aus der einfachen blattförmigen Körperanlage der so ausserordentlich complicirte Wirbelthierkörper entwickelt.

Wenn wir nun jetzt durch unseren sohlenförmigen Urkeim (Fig. 41 b, 42) einen senkrechten Querschnitt legen, so bemerken wir zunächst die Verschiedenheit der drei über einander liegenden Keimblätter (Fig. 43). Der Urkeim oder die Embryonal-Anlage besteht gewissermaassen aus drei über einander liegenden Schuhsohlen. Die unterste von diesen (das Darmdrüsenblatt) ist die dünnste Schicht und besteht bloss aus einer einzigen Lage von Zellen (Fig. 43 d). Die mittlere Sohle (das Mesoderm) ist beträchtlich dicker und erscheint mehr oder weniger deutlich aus zwei eng verbundenen Schichten zusammengesetzt, von denen die untere (f) auf die erste Anlage des Darmfaserblattes, die obere (m) hingegen auf die erste Anlage des Hautfaserblattes zu beziehen ist. Die dritte und oberste Schuhsohle (Fig. 43 h) ist das Hautsinnesblatt und besteht aus kleineren, helleren Zellen. In der Mitte unseres Querschnittes, dem Axentheile der Sohnen entsprechend, sind alle drei Sohlen in beträchlicher Ausdehnung mit einander verwachsen und bilden hier den dicken Axenstrang (Fig. 43 xy). In der Mitte der oberen Fläche bemerken wir eine ganz schwache, furchenartige Vertiefung, die erste Spur der Primitivrinne (n).

Ein wenig später (Fig. 44) wird die Primitivrinne (n) schon etwas tiefer, und beiderseits derselben erheben sich als niedrige Leisten die Rückenwülste. Mitten unterhalb der Primitivrinne sondert sich aus der Zellenmasse des dicken Axenstranges ein im Querschnitt rundliches Organ (x), welches sich bei der Flächen-Ansicht als ein cylindrischer Strang zeigt und die erste Anlage des Axenstabes oder der Chorda dorsalis darstellt. Das Darmfaserblatt (f) erscheint deutlich als ein Product des Darmdrüsenblattes (d), gesondert von dem Hautfaserblatt (m), das vom Hautsinnesblatt (h) abstammt.

Die Primitivrinne (Pv Fig. 45) wird nun bald beträchtlich tiefer und gestaltet sich zum Grunde der Rückenfurche (Rf), während beiderseits derselben sich die beiden parallelen Rückenwülste immer höher erheben (m). Zugleich sondert sich der centrale Axenstab oder die Chorda (Fig. 45 ch) vollständig und scharf von den beiden seitlichen Theilen des mittleren Keimblattes ab. Diese letzteren werden wir nunmehr als Seitenblätter (sp) der in der Axe gelegenen Chorda gegenüber stellen. Gewöhnlich werden "Seitenplatten" genannt. In der Mitte jedes Seitenblattes zeigt sich eine Spalte (in der Fläche derselben), indem sich hier das obere oder äussere Hautfaserblatt von dem unteren oder inneren Darmfaserblatt ablöst. Diese Spalte (Fig. 45 uwh) ist von grösser Bedeutung, weil sie die erste Anlage der späteren Leibeshöhle oder des Coeloms darstellt46).

Bei Gelegenheit dieser "Seitenblätter", die gewöhnlich mit dem Namen "Seitenplatten" belegt werden, will ich ein paar Worte über die beiden Kunstausdrücke "Blätter" und "Platten" einfügen, welche seit Baer in der Ontogenie allgmein angewendet weden und auch von hier auf jedem Schritte gebraucht werden müssen. Sowohl die "Blätter" (Laminae) als die "Platten" (Lamellae) sind blattförmige oder plattenförmige Körper, welche ursprünglich aus einer einzigen oder aus meheren über einander geschichteten Lagen von gleichartigen Zellen bestehen, und welche die ersten Grundlagen für die entstehenden Organ-Systeme und Organe des Körpers bilden. Der ontogenetische Sprachgebrauch macht aber zwischen "Blättern" und "Platten" einen wichtigen Unterschied. Als Blätter werden nur die ersten und ältesten Zellenschichten des Keimes bezeichnet, die über den ganzen Keim weggehen und die Anlagen ganzer Organ-Systeme bilden. Unter Platten hingegen versteht man einzelne Theile jener Blätter und aus diesen hervorgehende Zellenschichten, welche nur einem Theile des Keimes angehören und zur Bildung einzelner grösserer und kleinerer Organe dienen.

Allerdings wird diese Unterscheidung keineswegs scharf durchgeführt, und man bezeichnet z. B. die beiden mittleren secundären Keimblätter gewöhnlich als Hautfaser-"Platten" und Darmfaser-"Platten" (- statt "Blätter" -). Umgekehrt nennt man die "Hornplatte" (einen Theil des "Hautsinnesblattes") gewöhnlich "Hornblatt". Wir werden jedoch an jener wichtigen Unterscheidung thunlichst festhalten, und als "Blätter" also nur die beiden primären und die vier secundären Keimblätter bezeichnen; natürlich müssen wir aber auch die "Seitenplatten" demgemäss "Seitenblätter" nennen, da sie ursprünglich aus einer Verwachsung von zwei secundären Keimblättern hervorgegangen sind. Hingegen werden wir das sogenannte "Hornblatt" und alle aus jenen vier Blättern abgespalteten oder differenzirten blattförmigen Organanlagen als "Platten" bezeichnen (so die Muskelplatte, Skeletplatte u. s. w.).

Nachdem die Chorda sich von den beiden Seitenplatten völlig getrennt hat, spaltet sich von dem hinteren Rande jedes Seitenblattes rechts und links ein Stück ab, welches die Gestalt eines dicken langen Stranges hat (Fig. 45 uwp, Fig. 46 u). Wir wollen denselben Urwirbelplatte, oder besser Urwirbelstrang nennen, weil dieser Strang sich zu den Urwirbeln entwickelt. Er bildet die erste Anlage der einzelnen Abschnitte der Wirbelsäule, der "Urwirbelstücke". Später treten diese Urwirbel in die engste Beziehung zur Chorda dorsalis, welche sie umwachsen, und diese ganze Axen-Masse entwickelt sich dann zu der späterhin so mannichfach gegliederten und complicirten Wirbelsäule. Die peripherischen Theile der beiden Seitenblätter, welche nach der Abspaltung des Urwirbelstranges übrig bleiben, heissen von jetzt an "Seitenplatten" oder Seitenblätter im engeren Sinne; sie entwickeln sich zu den schon genannten beiden Faserblättern.

Während dieser Vorgänge bleibt das Darmdrüsenblatt oder das innere Keimblatt zunächst ganz unverändert; es sind keine Sonderungen wahrzunehmen (Fig. 45 dd, Fig. 46 d). Um so bedeutender sind die Veränderungen, welche jetzt im Hautsinnesblatte oder im äusseren Keimblatte vor sich gehen. Die fortdauernde Erhöhung und das beständige Wachsthum der beiden Rückenwülste führt nämlich dahin, dass jetzt diese beiden erhabenen Leisten sich mit ihren oberen freien Rändern gegen einander krümmen, immer mehr nähern (Fig. 46 w) und schliesslich verwachsen. So entsteht aus der offenen Rückenfurche, deren obere Spalte enger und enger wird, zuletzt ein geschlossenes cylindrisches Rohr (Fig. 47 mr). Dieses Rohr ist von der grössten Bedeutung: es ist nämlich die erste Anlage des Central-Nervensystems, des Gehirns und des Rückenmarks. Wir nennen diese erste Anlage Markrohr oder Medullarrohr (Tubus medullaris). Früher hat man diese Thatsache als ein wunderbares Räthsel angestaunt; wir werden nachher sehen, dass sich dieselbe im Lichte der Descendenz-Theorie als ein ganz natürlicher Vorgang herausstellt. Es ist ganz naturgemäss, dass sich das Central-Nervensystem - als das Organ, durch welches aller Verkehr mit der Aussenwelt, alle Seelethätigkeit und alle Sinneswahrnehmungen vermittelt werden - aus der Oberhaut oder Epidermis durch Abschnürung entwickelt. Später schnürt sich das Markrohr vollständig vom äussere Keimblatte ab und wird nach innen hinein gedrängt. Der übrig bleibende Theil des letzteren heisst nunmehr Hornplatte oder "Hornblatt", weil sich aus ihm die gesammte Oberhaut oder Epidermis mit den dazu gehörigen Horntheilen (Nägeln, Haaren u. s. w.) entwickelt. (Vergl. Taf. II und III.)

Sehr frühzeitig scheint ausser dem Central-Nervensystem von der äusseren Haut her noch ein anderes, ganz verschiedes Organ zu entstehen, nämlich die Urniere, welche die ausscheidende Thätigkeit des Körpers besorgt und den Harn des Embryo absondert. Diese Urniere ist ursprünglich ein ganz einfacher, röhrenförmiger, langer Gang, ein gerader Canal, der beiderseits der Urwirbelstränge (an deren äusserer Seite) von vorn nach hinten läuft (Fig. 47 ung). Er entsteht, wie es scheint, seitlich vom Medullarrohr aus der Hornplatte, in der Lücke, welche zwischen dem Urwirbelstrange und der Seitenplatte sich findet. Schon zu der Zeit, in welcher die Abschnürung des Medullarrohrs von der Hornplatte erfolgt, wird die Urniere in dieser Lücke sichtbar. Nach anderen Angaben soll die erste Anlage der Urniere nicht von der Hornplatte, sondern entweder vom Urwirbelstrange oder von den Seitenplatten sich ablösen.

Das wären also die drei Stücke, welche zunächst aus dem oberen Keimblatte hervorgehen: 1) Die Hornplatte oder die äussere Umhüllung des Körpers, welche die Oberhaut mit den Haaren, Nägeln, Schweissdrüsen u. s. w. bildet (Fig. 47 h); 2) das Markrohr oder Medullarrohr, aus welchem sich das Rückenmark, und später an dessen vorderem Ende das Gehirn hervorbildet (Fig. 47 mr); 3) die Urnieren, welche als ausscheidende Organe, als Harnwerkzeuge thätig sind und vielleicht auch die erste Anlage der Keimdrüsen, des wichtigsten Theils der Geschlechtsorgane, liefern (Fig. 47 ung).

Während so das Hautsinnesblatt sich in die Hornplatte, das Medullarrohr und die Urnieren sondert, zerfällt das mittlere Keimblatt oder das vereinigte Muskelblatt ebenfalls in drei Stücke, nämlich: 1) in der Mittelinie des Urkeimes der Axenstab oder die Chorda (Fig. 47 ch); 2) zu beiden Seiten derselben die Urwirbelstränge (Fig. 47 uw) und 3) nach aussen die davon abgeschnürten Seitenblätter. Diese letzteren zeigen uns noch die ursprüngliche Spaltung des mittlleren Keimblattes in das äussere Hautmuskelblatt (oder Hautfaserblatt, Fig. 47 hpl), und das innere Darmmuskelblatt (oder Darmfaserblatt, Fig. 47 df). Die Verbindungsstelle beider Faserblätter heisst Mittelplatte (mp). Die enge Spalte (sp) oder der leere hohle Raum, welcher zwischen beiden Faserblättern sich bildet, ist ebenfalls von der grössten Bedeutung; er ist die Anlage der Leibeshöhle oder des Coeloms; der grossen Eingeweidehöhle, in welcher später Herz, Lunge, Darmcanal u. s. w. liegen. Sie zerfällt später beim Säugethiere durch die Ausbildung des Zwerchfelles in zwei getrennte Höhlen: in die Brusthöhle und die Bauchhöhle. Anfangs aber ist sie ein einfacher, hohler Raum, der ursprünglich in Gestalt einer rechten und linken Spalte zwischen Darmmuskelblatt und Hautmuskelblatt auftritt. Diese Spalte entsteht durch Auseinanderweichen der beiden mittleren Blätter. Nur an ihrem inneren Rande bleiben diese beiden vorbunden; hier biegt (an der Aussenseite der Urwirbelstränge) das Hautfaserblatt unmittelbar in das Darmfaserblatt um, und diese Umbiegestelle ist eben die Mittelplattte oder besser Gekrösplatte (Fig. 40 mp).

Endlich treffen wir nun (wahrscheinlich im Zusammenhange mit dieser Leibeshöhlenbildung) schon in sehr früher Zeit ein anderes Organ in dem unteren Winkel zwischen dem Darmfaserblatte und den Urwirbelsträngen (Fig. 47 ao) Das ist die erste Anlage der grossen Blutgefässe des Körpers, der primitiven Haupt-Arterien oder Aorten. Sie verlaufen als zwei lange Canäle in der spaltartigen Lücke zwischen dem Darmmuskelblatt, dem Darmdrüsenblatt und den Urwirbelsträngen. Später liegen sie ganz inwendig in der Leibeshöhle, und dann liegt ganz nahe nach aussen von ihnen die Urniere.

Das innere Keimblatt oder das Darmfaserblatt (Fig. 47 dd) bleibt während dieser Vorgänge ganz unverändert und beginnt erst etwas später eine ganz flache, rinnenförmige Vertiefung in der Mittellinie des Urkeims, unmittlbar unter der Chorda zu zeigen. Diese Vertiefung heisst Darmlinie oder Darmfurche. Sie deutet uns bereits das künftige Schicksal dieses Keimblattes an. Indem nämlich die Darmrinne sich allmählich vertieft und ihre unteren Begrenzungsränder sich gegen einander krümmen, gestaltet sie sich in ganz ähnlicher Weise zu einem geschlossenen Rohr, dem Darmrohr um, wie vorher die Primitivrinne sich zum Medullarrohr gestaltet hat (Fig. 48). Auch diesen wichtigen Vorgang können Sie sich ganz einfach mechanisch vorstellen. Denken sie sich ein Blatt Papier, dessen entgegengesetzte Ränder mit Leim bestrichen sind, und welches so stark gekrümmt wird, dass sich die Ränder desselben berühren; lassen Sie dann diese Ränder mit einander verkleben oder verwachsen, so entsteht natürlich ein Rohr. So entstand das Medullarrohr (48 n). Ganz ähnlich entsteht auch das Darmrohr (48 a). Das Darmmuskelblatt (f), welches dem Darmdrüsenblatt (d anliegt, folgt natürlich der Krümmung des letzteren. Es besteht also von Anfang an die entstehende Darmwand aus zwei Schichten, inwendig aus dem Darmdrüsenblatt und auswendig aus dem Darmmuskelblatt.

Nun ist aber trotz aller Aehnlichkeit ein Unterschied in der Bildung des Darmrohres und des Markrohres zu bemerken. Das Markrohr schliesst sich nämlich in seiner ganzen Länge zu einer cylindrischen Röhre, während das Darmrohr in der Mitte offen bleibt und die Höhlung desselben noch sehr lange in Zusammenhang mit der Höhlung der Keimblase steht. Die offenen Verbindung zwischen beiden Höhlungen schliesst sich erst sehr spät, bei Bildung des Nabels. Die Schliessung des Markrohrs erfolgt von beiden Seiten her, indem die Ränder der Primitivrinne von rechts und links her mit einander verwachsen. Die Schliessung des Darmrohrs hingegen erfolgt nicht bloss von rechts und von links, sondern gleichzeitig auch von vorn und von hinten her, indem die Ränder der Darmrinne von allen Seiten her gegen den Nabel zusammenwachsen. Dieser Vorgang wird für Sie anfangs schwer zu verstehen sein, und erst später werden Sie im Stande sein, sich ein einigermaassen entsprechendes Bild desselben zu entwerfen. Allerdings sind alle hier auftretenden Processe eigentlich ausserordentlich einfach; aber dennoch erscheinen sie uns im Anfang ziemlich schwer verständlich, weil wir nicht gewohnt sind, uns derartige Entwickelungs-Vorgänge lebendig vor Augen zu stellen. Ausserdem treten freihlich auch bald verschiedenen Complicationen auf, welche das an sich nicht schwierige Verständniss der ursprünglichen Entwickelungs-Vorgänge gerade beim Wirbelthiere sehr erschweren. Insbesondere ist es hier das Verhältniss des Embryo zur Keimblase und zu den aus letzterer sich bildenden Hüllen, welche anfangs sehr grosse Schwierigkeiten bereitet. (Vergl. Taf. III, Fig. 14 und 15.)

Um hier Klarheit zu gewinnen, müssen Sie das Verhältniss des Urkeimes (oder der eigentlichen Anlage des Embryo-Körpers) zum Fruchthof und zur Keimblase scharf inīs Auge fassen. Das geschieht am besten durch Vergleichung der fünf Stadien, welche Fig. 49 Ihnen in Längsschnitt vorführt. Der embryonale Körper (e), der sich aus der Keimscheibe gebildet hat, zeigt schon sehr frühzeitig das Bestreben, sich über die Ebene des Fruchthofes zu erheben und von der Keimblase abzuschnüren. Der ganze Körper zeigt jetzt, wenn man ihn von der Rückefläche her betrachtet, immer noch eine sehr einfache Gestalt. Der Umriss hat immer noch die ursprüngliche einfache Sohlenform (Fig. 42, S. 200). Von einer Gliederung in Kopf, Hals, Rumpf u. s. w., sowie von Gliedmaassen ist noch Nichts zu bemerken. Aber in der Dicke ist der Urkeim mächtig gewachsen und daher tritt jetzt sein Rückentheil als ein dicker, länglich runder Wulst, stark gewölbt über die Fläche des Fruchthofes hervor. Nun stellen Sie sich vor, dass sich der Embryo bemühe, sich von der Keimblase, mit welcher er an der Bauchfläche zusammenhängt, vollständig abzuschnüren und zu emancipiren. Indem diese Abschnürung fortschreitet, krümmt sich sein Rücken immer stärker; in demselben Verhältnisse, als der Embryo wächst und grösser wird, nimmt die Keimblase ab und wird kleiner, und zuletzt hängt die letztere nur noch als ein kleines Bläschen aus dem Bauche des Embryo hervor (Fig. 47, 5 ds). Zunächst entsteht in Folge der Wachsthumsvorgänge, die diese Abschnürung bewirken, rings um den Embryo-Körper auf der Oberfläche der Keimblase eine furchenartige Vertiefung, die wie ein Graben den ersteren rings umgiebt, und nach aussen von diesem Graben bildet sich durch Erhebung der anstossenden Theile der Keimblase ein ringformiger Wall oder Damm (Fig. 49, 2 ks).

Um diesen wichtigen Vorgang klar zu übersehen, wollen wir den Embryo mit einer Festung vergleichen, die von Graben und Wall umgeben ist. Dieser Graben besteht aus dem äusseren Theile des Fruchthofes und hört auf, wo der Fruchthof in die Keimblase übergeht. Die wichtige Spaltung in dem mittleren Keimblatte, welche die Bildung der Leibeshöhle veranlasst, setzt sich peripherisch über den Bezirk des Embryo auf den ganzen Fruchthof fort. Zunächst reicht dieses mittlere Keimblatt bloss so weit, wie der Fruchthof; der ganze übrige Theil der Keimblase besteht anfangs nur aus den zwei ursprünglichen Keimblättern, dem äusseren und inneren Keimblatt. So weit also der Fruchthof reicht, spaltete sich das mittlere Keimblatt ebenfalls in die beiden Ihnen bereits bekannten Lamellen, in das äussere Hautmuskelblatt und in das innere Darmmuskelblatt. Diese beiden Lamellen weichen weit auseinander, indem sich zwischen beiden eine helle Flüssigkeit ansammelt. Die innere Lamelle, das Darmfaserblatt, bleibt auf dem inneren Blatte der Keimblase (auf dem Darmdrüsenblatte) liegen. Die äussere Lamelle hingegen, das Hautfaserblatt, legt sich eng an das äussere Blatt der Keimblase an und hebt sich mit diesem zusammen von derselben ab. Aus diesen beiden vereinigten äusseren Lamellen, nämlich aus der äusseren Haut oder der Hornplatte, und aus dem Hautfaserblatt, entsteht nun eine zusammenhängende Haut. Das ist der ringförmige Wall, welcher rings um den ganzen Embryo immer höher und höher wird, und schliesslich über demselben zusammenwächst (Fig. 49, 2, 3, 4, 5 am). Um das vorhin gebrauchte Bild der Festung beizubehalten, stellen Sie sich vor, dass der Ring-Wall der Festung ausserordentlich hoch wird und die Festung weit überragt. Seine Ränder wölben sich wie die Kämme einer überhängenden Felswand, welche die Festung einschliessen will; sie bilden eine tiefe Höhle und wachsen schliesslich oben zusammen. Zuletzt liegt die Festung ganz innerhalb der Höhle, die durch Verwachsung der Ränder dieses gewaltigen Walles entstanden sind. (Vergl. Fig. 50-53, und Taf. III, Fig. 14.)

Indem in dieser Weise die beiden äusseren Schichten des Fruchthofes, das Hautsinnesblatt und das Hautfaserblatt, sich faltenförmig rings um den Embryo erheben und darüber zusammen wachsen, bilden sie schliesslich eine geräumige, sackförmige Hülle um denselben. Diese Hülle führt den Namen Fruchthaut oder Schafhaut, Amnion (Fig. 49 am). Der Embryo schwimmt in einer wässerigen Flüssigkeit, welche den Raum zwischen Embryo und Amnion ausfüllt, und Amnion-Wasser oder Fruchtwasser genannt wird (Fig. 49, 4, 5, ah). Später kommen wir auf die Bedeutung dieser merkwürdigen Bildung zurück. Zunächst ist sie für uns von keinem Interesse, weil sie in keiner direkten Beziehung zur Körperbildung steht. Wir mussten sie aber vorläufig erwähnen, um zu verstehen, wie sich der Embryo des Säugethieres seine eigenthümlichen Hüllen und Anhänge bildet.

Unter diesen verschiedenen Anhängen, deren Bedeutung wir später erkennen werden, wollen wir vorläufig noch die Allantois und den Dottersack nennen. Die Allantois oder der Harnsack (Fig. 49, 3, 4 al) ist eine birnförmige Blase, welche aus dem hintersten Theile des Darmcanals hervorwächst; ihr innerster Theil verwandelt sich späterhin in die Harnblase; ihr äusserster Theil bildet mit seinen Gefässen die Grundlage des Mutterkuchens oder der Placenta. Ver der Allantois hängt aus dem offenen Bauche des Embryo der Dottersack oder die Nabelblase hervor (Fig. 49, 3, 4 ds), welcher nichts Anderes ist, als der Rest der ursprünglichen Keimblase (Fig. 49, 1 kh). Bei weiter entwickelten Embryonen, bei denen die Darmwand und die Bauchwand dem Verschluss nahe ist, hängt dieselbe als ein kleines gestieltes Bläschen aus der Nabelöffnung (Fig. 49, 4, 4 ds) hervor. Seine Wand besteht aus zwei Schichten: innen aus dem Darmdrüsenblatt, aussen aus dem Darmfaserblatt. Sie ist also eine directe Fortsetzung der Darmwand selbst. Je grösser der Embryo wird, desto kleiner wird dieser Dottersack. Anfänglich erscheint der Embryo nur als ein kleiner Anhang an der grossen Keimblase. Später hingegen erscheint umgekehrt der Dottersack oder der Rest der Keimblase nur als kleiner beutelförmiger Anhang des Embryo. Er verliert schliesslich alle Bedeutung und wird als Nahrungsmaterial von dem sich entwickelnden Embryo verbraucht. Die sehr weite Oeffnung, durch welche anfangs die Darmhöhle mit der Nabelblase communicirt, wird später immer enger und verschwindet endlich ganz. Der Nabel, die kleine grubenförmige Vertiefung, welche man beim entwickelten Säugethiere in der Mitte der Bauchwand vorfindet, ist diejenige Stelle, an welcher ursprünglich der Rest der Keimblase, die Nabelblase, in die Bauchhöhle eintrat und mit dem sich bildenden Darm zusammenhing. (Vergl. Fig. 14 und 15 auf Taf. III.).

Die Entstehung des Nabels fällt mit dem vollständigen Verschluss der äusseren Bauchwand zusammen. Die Bauchwand entsteht in ganz ähnlicher Weise, wie die Rückenwand. Beide werden wesentlich vom Hautfaserblatte gebildet und äusserlich von der Hornplatte, dem peripherischen Theile des Hautsinnesblattes überzogen. Beiden kommen dadruch zu Stande, dass sich das animale Keimblatt in ein doppeltes Rohr verwandelt: oben am Rücken den Wirbel-Canal, der das Markrohr umschliesst, unten am Bauche das Leibesrohr, welches im Coelom das Darmrohr enthält (Fig. 48, S. 208).

Wir wollen zuerst die Bildung der Rückenwand und dann die der Bauchwand betrachten (Fig. 50-53). In der Mitte der Rückenfläche des Embryo liegt ursprünglich, wie Sie wissen, unmittelbar unter der Hornplatte (h) das Markrohr (mr), welches sich von dessen mittlerem Theile abgeschnüt hat. Später aber wachsen die Urwirbelplatten (uw) von rechts und von links her zwischen diese beiden ursprünglich zusammenhängenden Theile hinein (Fig. 51, 52). Die oberen inneren Ränder beider Urwirbelplatten schieben sich zwischen Hornplatte und Markrohr hinein, drängen beide auseinander und verwachsen schliesslich zwischen denselben in einer Naht, die der Mittellinie des Rückens entspricht. Der Verschluss erfolgt ganz nach Art des Markrohres, welches nunmehr ganz von diesem Wirbelrohr umschlossen wird. So entsteht die Rückenwand, und so kommt das Markrohr ganz nach innen zu liegen (Fig. 53).

In ganz entsprechender Weise wächst später die Urwirbelmasse unten ringes um die Chorda dorsalis herum und bildet hier die Wirbelsäule. Hier unten spalten sich der inneren untere Rand der Urwirbelplatten jederseits in zwei Lamellen, von denen sich die obere zwischen Chorda und Markrohr, die untere hingegen zwischen Chorda und Darmrohr einschiebt. Indem sich beide Lamellen von beiden Seiten her über und unter der Chorda begegnen, umschliessen sie dieselbe völlig und bilden so die röhrenförmige, äussere Chorda-Scheide, die skeletbildende Schicht, aus welcher die Wirbelsäule hervorgeht (Fig. 52, 53). Vergl. Fig. 3-6 auf Taf. II.

Ganz ähnliche Vorgänge wie hier oben am Rücken, bei Bildung der Rückenwand, treffen wir unten am Bauche bei Entstehung der Bauchwand an (Fig. 53 bh). Hier wachsen nämlich die Seitenplatten ganz auf dieselbe Weise rings um den Darm zusammen, wie der Darm selbst entstanden ist. Der äussere Theil der Seitenplatten bildet die Bauchwand oder die untere Leibeswand, indem an der inneren Seite der vorhin berührten Amnionfalte sich beide Seitenplatten stärker krümmen und von rechts und links her einander entgegenwachsen. Während der Darmcanal sich schliesst, erfolgt gleichzeitig von allen Seiten her auch die Schliessung der Leibeswand. Also auch die Bauchwand, welche die ganze Bauchhöhle unten umschliesst, entsteht wieder aus zwei Hälften, aus den beiden gegen einander gekrümmten Seitenplatten. Indem diese von allen Seiten her gegen einander zusammenwachsen, und sich endlich in der Mitte im Nabel vereinigen, erfolgt der Verschluss der Leibeswand in derselben Weise, wie der Verschluss der Darmwand. Wir haben also eigentlich einen doppelten Nabel zu unterscheiden, einen inneren und einen äusseren. Der innere oder Darmnabel ist die definitive Verschlussstelle der Darmwand, durch welche die offene Communication zwischen der Darmhöhle und der Höhle der Keimblase oder des Dottersackes aufgehoben wird. Der äussere oder Hautnabel ist die definitive Verschlussstelle der Bauchwand, welche auch beim erwachsenen Menschen äusserlich als Grube sichtbar ist. Jedesmal sind zwei secundäre Keimblätter bei der Verwachsung betheiligt; bei der Darmwand das Darmdrüsenblatt und Darmfaserblatt, bei der Bauchwand das Hautfaserblatt und Hautsinnesblatt. Es geht also die Darmwand als Ganzes eigentlich ebenso aus dem Entoderm hervor, wie die Bauchwand (und überhaupt die gesammte Leibeswand) aus dem Exoderm.

Wie Sie sehen, sind die Vorgänge bei der Bildung der Bauchwand und der Rückenwand ganz ähnlich. Auf der Rückenseite entsteht zuerst aus dem äusseren Keimblatte das Markrohr und über diesem wächst nachträglich von beiden Seiten her (aus den Urwirbeln) die Rückenwand zusammen; der Verschluss erfolgt in der Rücken-Mittellinie. Auf der Bauchseite entsteht ganz analog zuerst aus dem inneren Keimblatte das Darmrohr und über diesem wächst nachträglich von allen Seiten her (aus den Seitenplatten) die Bauchwand zusammen; der Verschluss erfolgt im Bauchmittelpunkte, im Nabel. Beide Male entstehen also zwei in einander geschachtelte Röhren: Oben das Markrohr, eingeschlossen im Wirbel-Canal der Rückenwand; unten das Darmrohr, eingeschlossen in der Leibeshöhle der Bauchwand.

Die Vorgänge, durch welche dergestalt aus der vierblätterigen Keimscheibe die doppelt-röhrenförmige Anlage des Wirbelthier-Körpers entsteht, sind also eigentlich, wie Sie sehen, sehr einfach. Aber sie sind trotzdem anfangs nicht leicht zu begreifen und schwer darzustellen. Ich bezweifele nicht, dass Ihnen sehr Vieles jetzt noch unklar geblieben sein wird, besonders da viele von Ihnen gar nicht mit anatomischen Form-Verhältnissen vertraut sein werden. Wenn Sie aber die später folgenden Entwickelungsstadien genau in Betracht ziehen werden, welche die bisher betrachteten erläutern, und wenn Sie namentlich die sämmtlichen, in Fig. 34, 43-48, 50-53, sowie auf Taf. II (S. 224) dargestellten Querschnitte des ausgebildeten Wirbelthierkörpers und des Urkeimes sorgfältig vergleichen, so müssen Ihnen, wie ich denke, die Grundzüge in der Ontogenese des Säugethier-Körpers klar werden. Die genaue und denkende Vergleichung der Querschnitte ist für dieses Verständniss überaus wichtig.

Gar keine Berücksichtigung haben bis jetzt die verschiedenen Abschnitte des Körpers gefunden, welche wir seiner Länge nach unterscheiden: Kopf, Hals, Brust, Unterleib, Schwanz u. s. w. Für diese ist die Betrachtung der Querschnitte nicht ausreichend, und werden wir daher jetzt zunächst die Gliederung des Säugethier-Körpers in der Längsaxe näher in Betracht zu ziehen haben.

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Erstellt von Sebastian Högen, Juli 2001.