dichten
Schneemassen hindurcharbeiten. Doch war diese Lawine die schlimmste, und die folgen, welche wir trafen, war bereits
durch einige fünfzig herbeitelegraphierte Arbeiter wieder freigeschaufelt.
Das beste war, daß wir dabei anfangs das schönste Wetter hatten, klare Sonne und heiteren blauen Himmel, der über
die weißen Schneezacken der Gebirgsfirsten gar freundlich hereinschien. Gegen Mittag fing aber auch dieser an, sich
durch dichte Schneewolken zu trüben, und zugleich erhob sich ein ziemlich starker Wind, der die frischgefallenen
Schneemassen recht lustig von den Kuppen herabwehte und uns stellenweise mit dichten Staublawingen oder
Schneeregen bedeckte. Zuletzt gestaltete sich daraus ein richtiger "Gux", d. h. ein regulärer Schneesturm, der uns mit
allen seinen Reizen und Schauern überschüttete.
Übrigens hörte auch dies Schneien und Stieben bald auf, und gerade die schönsten Stellen der berühmten Gotthardstraße
sahen wir in ihrem besten Glanze und bei einer so eigentümlichen Beleuchtung und Schneedekoration, wie sie gewiß
wenige Reisende genießen. Die Abwechslungen der verschiedensten Hochgebirgsbilder sind auf der ganzen Strecke
überaus reizend. Die schöne Straße zieht sich bald auf dem rechten, bald auf dem linken Ufer der wilden Reuß in
kühnen Schlängelungen längs der steilen Felswände hin und überspringt den wilden Bergstrom abwechselnd auf mehreren
Brücken. Stellenweise ist der Weg tunnelartig durch Felsen gebrochen, der durch sogenannte "Galerien", übermauerte
Dächer (wie am Wormser Joch im größten Maßstabe) überbrückt. Dabei kommen die herrlichsten Wasserfälle von allen
Seiten heraub, welche jetzt zu den schönsten grünblauen Einzapfen versteinert waren. Anfangs ist das Tal weit, mit
breitem Boden und nimmt mehrere Nebentäler auf. Später verengt es sich zu einem wilden, schauerlichen Engpaß, den
Schöllenden und dem Drachental, in dessen engem Grunde die künstliche Straße neben dem schäumenden Fluß kaum Platz
findet. Die wildesten Punkte sind die 90 Fuß hohe Reußbrücke (Teufelsbrücke), unter dem die Reuß einen mächtigen
Wasserfall bildet,und das Urner Loch, ein längerer Felstunnel; überrascht tritt mangleich darauf in das freundliche
flache "Urserental", in dessen breitem, flachem Schneekessel das Dörfchen Andermatt sehr freundlich sich darstellt.
Leider war es bereits 4 Uhr (statt 12 Uhr), als wir hinkamen, und der Kondukteur erklärte Weiterfahren bei diesem
Schnee für unmöglich, so daß wir gezwungen waren, hier zu übernachten.
Der 3. Februar fand mich und meinen Gefährten, der sich eines 14stündigen gesunden Schlafs erfreut hatte, schon in
der Morgendämmerung reisegerüstet in Andermatt vor. Wir hatten schon tags zuvor erfahren, wie wohl in diesen
Eiswüsten gehörige Verpackung tut und daher alles angewandt, um den Unannehmlichkeiten dieses Tages, gegen den der
vorige nur Kinderspiel sein sollte, zu begegnen. Ich hatte alles, was ich an Garderobe bei mir hatte, übereinander
gezogen, nämlich: 1. ein
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