haben wir nachträglich noch aus den Koffern und
Säcken auspacken und in einem großen Raum aufhängen und aufstellen müssen, in welchem sie seit nunmehr 4 Tagen
der intensivsten Chlorräucherung ausgesetzt werden. Wir selbst sind auf alle mögliche Weise beräuchert, besprengt,
bekreuzigt und wie von bösen Geistern Besessene mit Exorzismus behandelt worden.
Im übrigen ist die fünftägige Gefangenschaft in dem Lazarett, welche heute zu Ende geht, weit erträglicher
ausgefallen, als wir vorher gedacht hatten. Das Gebäude ist sehr reinlich gehalten, die Kost ganz erträglich;
Raum steht im Überfluß zu unserer Verfügung, da wir einen ganzen Flügel des Lazaretts für uns allein bewohnen.
Die Aussicht aus den Fesnten ist prachtvoll. Ferner fürfen wir frei in einem kleinen Hof umhergehen, welcher die
herrlichste Aussicht über das ganze Tajo-Tal hat. Das köstliche Frühlingswetter, welches wir seit unserer Ankunft in
Lissabon genießen, gießt den ganzten Reiz des europäischen Südens über die entzückend schöne Landschaft aus, welche
unseren Blick täglich stundenland fesselt.
Die Lage von Lissabon ist ganz eigentümlich und läßt sich mit keiner anderen mir bekannten Hafenstadt vergleichen.
Das ganz Charakteristische ist die außerordentlich langgestreckte Ausdehnung der Stadt am Fuße der braunen Hügelreiehn
bei nur sehr geringer Breite; ferner die eigentümliche Umgrenzung des Tajo-Beckens, welches die Flußmündung zu einem
großen Landsee macht. Um diesen herrlichen Anblick recht zu würdigen, hätten wir keinen schöneren Aussichtspunkt finden
können als unser Lazarett, welches auf seinem hohen Felsen das wahre Belvedere von Lissabon bildet. Es ist in der Tat
prachtvoll. Fast den ganzen Tag unseren fünftägigen Quarantänelebens fesselte uns das wechselnde bunte Farbenspiel
dieses glänzenden südlichen Landschaftsbildes. Auch nachts ist es ganz herrlich, wenn die Laternen der Stadt an den
Hügelketten ihre glänzenden Lichter verteilt zeigen und im Tajo widerspiegeln. Der wolkenlose Nachthimmel funkelt in
einem Sternenglanze, von welchem unser Norden keine Ahnung hat.
Auch an sonstiger Unterhaltung hat es uns nicht gefehlt. Fast volle 3 Tage hat mich die Untersuchung einer
prachtvollen großen Meduse beschäftigt, welch ich gleich beim ersten Besuch der Räucherungsanstalt am Fuße des
Lazaretts in einem kleinen Winkel der Tajo-Buch entdeckte. Es glückte mir durch Bestechung unseres Quarantäne-Inspektors
die Erlaubnis zu erlangen, eines von diesen herrlichen Tieren in einem Eimer mit hinaufnehmen zu dürfen. Schon die
erste flüchtige Betrachtung zeigte mir, daß ich es mit einer sehr eigentümlichen Art von Rhizostoma, und
zwar mit einer ganz neuen, noch nicht beschriebenen Spezies zu tun hatte. Der Körper hat die Form und Farbe einer
sehr großen, fast kugeligen Lampenglocke von Milchglas, aber mit einem sehr zierlichen gelben Kreuz geziert. Die
ganze Oberfläche ist ovn einem sehr eigentümlichen runzeligen Faltenwerk überzogen, welches bei keiner anderen
Meduse
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