Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Ein Minenstädtchen. l -

bleibt, Spürsinns im Auffinden neuer Wege, wenn durch elementare Gewalten aller Art die gewohnte Linie unwegsam geworden ist, kalten Blutes, wenn einmal ein Unfall eintritt, kurzum eines vollendeten »Buschmanns«. Unfälle der verschiedensten Art sind denn auch beim Wagenreisen in Australien keine Seltenheiten, und ich bin mehr als einmal von ihnen betroffen worden.

Auf jener Fahrt von Biggenden nach Gayndah ging aber alles glatt. Der Lenker unseres Postwagens war ein erfahrener Meister, eine »old hand« wie man hier zu sagen pflegt, der seinem Amte mit unerschütterlicher Ruhe oblag. Der Weg führt zunächst durch Flachland zu der Squatterstation Degilbo1) und dann nach dem kleinen, neu aufgeschossenen Minenstädtchen Mount Shamrock. Hier findet sich Gold und Silber vergesellschaftet mit Wismut, Magnetit, Eisen, Kupfer und ändern Erzen. Die Ablagerungen befinden sich inmitten eines weit ausgedehnten Lagers von geschichtetem Sandstein, das von Basalten umschlossen und hier und da unterbrochen wird. Mount Shamrock selbst ist ein niedriger Hügel von etwa fünfzig Meter Höhe. Auf seinem Gipfel wurde zuerst das Gold in einem eisenfarbigen Felsstück, das frei an der Oberfläche lag, entdeckt.

Wir hielten hier kurze Rast und nahmen in einem der Wirtshäuser dieses Orts unser Mittagsmahl ein. Wo immer eine kleine Ansiedlung aufblüht, da wachsen sofort eine Anzahl »Hotels« mit auf. Die Preise, die man in denselben für Mahlzeiten und Unterkunft zu zahlen hat, sind ziemlich hohe; die Mahlzeiten einfach aber ganz gut, die Einrichtung der Wohnräume eine höchst primitive, die Reinlichkeit gewöhnlich eine erträgliche. Die wahre Einnahmequelle dieser Wirtshäuser wird aber durch den Schenktisch, die »bar« repräsentiert, an dem viele Goldgräber und Stockmen regelmäßig einen großen Teil ihres sauer erworbenen Verdienstes, oft den ganzen, durchzubringen pflegen.

Zwischen Mount Shamrock und Gayndah wurden dann noch einmal die Pferde bei der Squatterstation Wetheron gewechselt. Nicht weit hinter Wetheron trafen wir am Wege einen Schwarzen, der ein guter Bekannter des Kutschers zu sein schien und auf seine Bitte

von letzterem mit in den Postwagen aufgenommen wurde. Es war ein wohlgebauter, kräftiger Mann von Mittelgröße, mit schwarzem welligem Haar und struppigem Vollbart, der Gesichtsbildung nach,

i) Das Wort Degilbo hat für unsre Ohren den typischen Klang der australischen Sprachen. In Wirklichkeit ist es aber nichts andres als die Umkehrung des englischen Wortes »obliged«, und verdankt seine Entstehung einem scherzhaften Erlebnis des Begründers der Station.


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003