Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Das Feld meiner zukünftigen Tätigkeit. 39

Ruhe legten, war alles für einen frühen Aufbruch am nächsten Morgen bereit.

Wir wollten an diesem Tage der Straße bis in die Nähe von Mundubbera folgen, wo sich eine Art Vorwerk, eine »Außenstation« der Großpacht Coonambula befindet. Von dort wollten wir dann quer durch den Busch in genau südlicher Richtung an den Boyne ziehen. Zwischen Mundubbera und Deep Creek liegen zwei ziemlich steile Bergrücken, deren Überwindung der schwerbeladenen Dray voraussichtlich bedeutende Mühe kosten würde. Ich ritt der Dray voraus direkt nach dem Wirtshaus der Frau Corry, um mit der Besitzerin ein ernstes Wort zu reden und jeden Schnapsverkauf an meine Schwarzen von vornherein abzuschneiden. Entrüstet wies die alte Dame die Unterstellung solcher Gesetzwidrigkeit zurück. Ich hatte meine Zweifel an der Aufrichtigkeit dieser Entrüstung, machte aber vorläufig keinen Gebrauch von dem Schreiben des Police Magistrate, sondern behielt dasselbe bis auf weiteres als Trumpf in meiner Tasche. Das Wirtshaus machte einen so wenig Vertrauen erweckenden Eindruck, daß ich vorzog, zur Dray zurückzureiten und dort mein Frühstück einzunehmen. Nach zwei Uhr stieß ich auf Dahlke und Frank, gerade als sie hart an der Arbeit waren, den schweren Anstieg über den zweiten Höhenzug zu bewältigen. Mit großer Anstrengung gelang es endlich, denn die Pferde, die ein halbes Jahr lang frei auf der Weide gewesen waren, zeigten sich nach der langen Untätigkeit so schwerer Arbeit nicht gewachsen. Auf der Höhe hielten wir kurze Rast und nahmen eine eilige Mahlzeit ein. Zu unsern Füßen lag ein hügeliges, mit Euca-lyptusvegetation bedecktes Waldland, Eucalyptuswald soweit das Auge reichte, im Westen vor uns die Täler des Burnett und seiner Zuflüsse, im Süden die seines stattlichen Nebenflusses Boyne und dessen Vasallen. Was ich vor mir sah, sollte für das nächste Jahr das Feld meiner Tätigkeit sein. Es waren ganz bestimmte wissenschaftliche Probleme, deren Lösung ich in diesen Tälern und auf diesen Höhen suchte, Probleme, die nicht allein mir, sondern vielen Naturforschern im fernen Europa so gut wie in Amerika wichtig und interessant erschienen. In das Gefühl der Freude, eine so schöne Aufgabe vor mir zu haben, mischte sich vielleicht auch ein klein wenig Zweifel und Besorgnis, ob die Erfolge meinen Erwartungen entsprechen würden. Doch galt es jetzt nicht, über die Zukunft sich Gedanken zu machen, sondern frisch den Augenblick zu ergreifen. Als ich 14 Monate später von derselben Höhe einen Scheideblick auf jenes Land warf, war es, als ob ich Abschied von


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003