Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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206 Rückkehr an den Burnett.

aalähnliches Fleisch ihnen als großer Leckerbissen gilt. Wie alle Riesenschlangen sind auch die australischen Pythonen ungiftig. Ihre Nahrung besteht aus kleineren Beuteltieren, Wasserratten (Hydromys) und Vögeln. Ihre Lebensweise ist eine vorwiegend nächtliche, zuweilen sieht man sie aber auch bei Tage an steinigen Hängen sich sonnen und sie sind dann viel leichter zu beschleichen, als ihre giftigen Verwandten, denen sich die Schwarzen schleichend mit unhörbaren Schritten nahen, als wollten sie sich an Haarwild anpürschen. So führte mich einmal Johnny an einen Hang, wo sich, wie er an den vorhergehenden Tagen beobachtet hatte, eine Pseudechis porphyriacus zu sonnen pflegte. Trotzdem wir uns vorsichtig auf den Zehen heranschlichen, hatte die giftige Schwarzschlange unser Näherkommen bemerkt und sich in einem sichern Versteck verborgen. Statt dessen aber fanden wir eine zusammengeringelte Teppichschlange, die so träge und gleichgültig war, daß wir sie mit einem Stock berühren und stoßen mußten, ehe sie sich entschloß, ihre Windungen zu lösen und langsam fortzukriechen. Ich erlegte sie und später noch verschiedene andere und gerbte ihre abgezogene Haut mit den daraufsitzenden Schuppen zu festen, schön gemusterten Lederstreifen, aus denen ich mir nach meiner Rückkehr nach Europa eine Anzahl von Gürteln, Patronengürteln, Taschen und Täschchen habe machen lassen.

Groß ist auch die Menge riesiger Eidechsen, denen man allenthalben begegnet: die abenteuerlich gestalteten Kragenechsen, »Binángaram«, Chlamydosaurus kingi, Baumtiere, die sich, wenn man sie angreifen will, wütend mit ihrem scharfen Gebiß verteidigen und ihren mächtigen aufrichtbaren Kragen wohl mehr als Schreckmittel denn als Schild benutzen; die meterlangen »Iguane« oder »'Guanas« der Kolonisten, »Jimben« der Schwarzen, Varanusarten, die aufgestört mit komischer Hast die Stämme der Eucalypten hinaufklimmen; die gutschwimmenden »Wasser-'Guanas«, Physignathus lesueurii, die gern in den Zweigen der tea-trees und auf Baumstrünken am Flußufer sitzen und sich mit lautem Klatschen ins Wasser fallen lassen, wenn man sich ihnen nähert; endlich die trägen unbeweglichen »sleeping lizards«, Tiliqua scincoides.

Überall begegnet man fremden Tierformen; nicht nur die Arten sind andre als die, welche wir von Europa kennen, sondern meist auch die Gattungen und Familien. Was wir am schärfsten bei den Säugetieren ausgesprochen sahen, das gilt auch weniger ausgeprägt für Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische, ja selbst für die wirbellosen Tiere Australiens. Die australische Fauna steht in einem höchst auffälligen Gegensatz zur Fauna der ganzen übrigen Erde. Wir können


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003