Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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212 Rückkehr an den Burnett.

den er dem Besitzer bringt. Das Gebahren beider Geschlechter in der Fortpflanzungszeit zeigt uns auf das deutlichste, daß dieser Nutzen in dem Eindruck liegt, den ein so geschmücktes Männchen auf das andere Geschlecht hervorbringt, in dem Vorteil, den es vor ändern minder geschmückten und anziehenden Bewerbern voraus hat. Ist doch wiederholt beobachtet worden, daß männliche Tiere, die man ihres Hochzeitsschmuckes beraubt hatte, von den Weibchen zurückgewiesen wurden.

Wallace leugnet allerdings nicht ganz den reizenden Eindruck, den die Entfaltung des Prachtgefieders seitens des Männchens auf das Weibchen hervorbringt, aber dieser Eindruck soll nur der der männlichen Kraft und Reife sein, nicht auf ästhetischem Wohlgefallen beruhen. »Wir haben keinen Grund, bei dem Weibchen irgendwelche ästhetische Empfindungen vorauszusetzen, wie sie in uns selbst durch die Schönheit der Form, Farbe oder Zeichnung dieser Federn erregt werden.« Ich antworte darauf: wir haben sehr viel Grund, und ein schlagendes Beispiel für das Vorhandensein rein ästhetischer Empfindungen bei den Vögeln, bloßer Freude an gefälliger Form und bunter und lebhafter Farbe liefern eben die australischen Laubenvögel, die blos aus ästhetischem Gefallen kunstvolle Lauben bauen und den Schmuck für dieselben meilenweit mühevoll zusammentragen. Hier ist es doch die Form und Farbe, die rein an sich das Wohlgefallen hervorruft, nicht blos indem sie dem Weibchen als Ausdruck männlicher Reife und Kraft erscheint.

Übrigens waren die Laubenvögel am Burnett lange nicht so scheu, als sie gewöhnlich geschildert werden. Dem Garten von Coonambula statteten sie häufig Besuche ab, und ich habe dort allein drei Stück erlegt.

Weniger interessant durch merkwürdige Lebensgewohnheiten als durch die Vortrefflichkeit seines zarten, weißen Fleisches ist ein anderer Bewohner der dichten Scrubs, die schöne und stattliche Wonga-Taube, Leucosarcia picata, die wegen ihres eigentümlichen Lockrufs von den Schwarzen in New South Wales »Wonga Wonga«, von denen am Burnett »Wung« genannt wird. Sie hält sich viel auf dem Boden auf, bäumt aber sofort auf, wenn man sich ihr nähert, und ist dann ungemein schwer zu beschleichen, weil sie einen meistens wahrnimmt, ehe man sich auf Schußweite herangeschlichen hat. Meistens fliegt sie nicht weit, sondern läßt sich in einigen hundert Schritten Entfernung auf einem ändern Baume nieder. Das Spiel beginnt von neuem, und der vorsichtige Vogel führt den leckermäuligen Jäger zuweilen stundenlang an der Nase herum.


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003