Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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360 Neu-Guinea. Von Jule Island bis zum Südkap.

aber kein Entgegenkommen, überhaupt ziemlich mürrische Aufnahme, und es kostete mich Mühe, die Leute zu bewegen, sich ein wenig zu gruppieren und einen Augenblick still zu bleiben, damit ich sie photographisch aufnehmen konnte. Einige Stücke Tabak hatten besseren Erfolg als gute Worte und Vorstellungen. Die Leute, die, wie es hieß, von Motumotu kamen, zeichneten sich vor den Bewohnern von Jule Island durch größere und schlankere Körperformen sowie durch dunklere Hautfarbe aus.

Nach unserer Rückkehr zur Missionsstation stellte uns der Erzbischof den Schwestern vor, die unter Leitung einer Oberin die Männer in ihrem mühe- und gefahrvollen Missionswerke unterstützen. Meist sind es Französinnen; auch eine Deutsch-Elsässerin war darunter. Bei den Schwestern sah ich ein hübsches hellbraunes Mädchen, die Tochter eines Weißen namens George Hunter, der von seiner eigenen eingeborenen Frau, der Mutter dieses kleinen Kindes, ermordet worden war. Hunter war Regierungsbeamter in den Rigo-Dörfern gewesen, die östlich von Port Moresby etwas inland von Kapakapa liegen. Die Frau, mit der er schon lange zusammenlebte, war seiner überdrüssig geworden und wünschte sich mit einem Eingeborenen zu verheiraten, der ihr Geliebter war. Hunter wurde von diesem und noch drei anderen Schwarzen auf Anstiften des Weibes ermordet, als er einmal krank im Bette lag und sein Gewehr, das die Schwarzen viel mehr fürchteten als ihn selbst, nicht erreichen konnte. Die Frau brachte selbst die Leiche im Kanoe nach Port Moresby und wußte ihre Rolle so gut zu spielen, daß dort niemand eine Ahnung von dem wirklichen Sachverhalt hatte, und Hunter, den man für ein Opfer des Klimas hielt, ohne weiteres begraben wurde. Erst nach Monaten drang das Gerücht, daß er eines gewaltsamen Todes gestorben sei, zu den Ohren der Weißen. Die Schuldigen gestanden ihre Tat ein; die Männer, die den Mord vollführt hatten, wurden hingerichtet, das Weib, die Urheberin, aber nicht die Vollbringerin des Verbrechens, wurde zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurteilt. Der kleinen Waise nahmen sich die gütigen Schwestern an, und natürlich ahnte das anmutige Kind, das klug und unbefangen aus seinen Augen schaute, nichts von dem furchtbaren Geschick seiner Eltern.

Die Nacht verbrachten wir an Bord meines Luggers.

Am nächsten Morgen kam Bruder Joseph in dem Walboot der Missionäre, um Herrn Douglas und mich zu einer längeren Tour auf das Festland den St. Josephs-Fluß hinauf abzuholen. Unter Walboot, auch von deutschen Seeleuten gewöhnlich englisch »whaleboat« ausgesprochen, versteht man ein langes offenes Kielboot, dessen Achter-


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003