Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Katholische Missionäre. 369

liegen die häuslichen Arbeiten, die Bestellung der Pflanzungen und, wo passende Tonerde vorkommt, die Anfertigung der Töpferwaren ob, während die Männer der Jagd, dem Fischfange, dem Kriege und dem Seehandel nachgehen und ihre Mußestunden dem Haus- und Kanoebau, der Schnitzkunst und dem Stein- und Muschelschleifen widmen.

Den Kindern wird die größte Freiheit gelassen, und ohne jeden Zwang, ohne Drill und Einschüchterung wächst das Völkchen auf. Eine liebenswürdige und sympathische, ein wenig vorlaute Gesellschaft, die vor niemand großen Respekt hat, aber ihr Wesen so harmlos und unbefangen fröhlich treibt, daß man ihr gut sein muß.

Vater Hubert sagte mir, daß das Ziel der Missionäre vor allem darauf gerichtet sei, den religiösen Sinn der Kinder zu wecken. Man erzählt ihnen die biblische Geschichte, unterrichtet sie im Lesen und Schreiben und lehrt sie, fromme Lieder nach einfachen Melodien singen. Leidenschaftlich dem Gesänge ergeben, werden die Kinder vor allem von der Gesangstunde angezogen, und sie ist es, die sie an die Schule fesselt, deren Besuch natürlich ein ganz freiwilliger ist. Aller Unterricht erfolgt in der Sprache der Eingeborenen, hier im Maivadialekt, in dem die Missionäre einige bildgeschmückte Er-bauungs- und Liederbücher auf Handpressen selbst gedruckt haben. Von großem Einfluß auf diese Jugenderziehung ist die Anwesenheit von Missionsschwestern in einigen Dörfern. Sie verstehen es noch besser als die Männer, auf die kindlichen Gemüter einzuwirken. Welche bewundrungswürdige Entsagung und Hingebung gehört aber für eine europäische Frau dazu, ihr Leben in einem Papuadorf zu verbringen und unverdrossen an der harten Aufgabe zu arbeiten, diese wilden freigewachsenen Pflänzchen ein wenig zu sänftigen und zu kultivieren! Vater Humbert sagte mir, daß er und seine Mitarbeiter fast ganz darauf verzichteten, Erwachsene zu taufen. Die Taufe würde nur denen gegeben, die einen Schimmer von Verständnis der christlichen Glaubenslehre erworben hätten. Ich unterhielt mich gerne mit diesem Manne, der die Verhältnisse, die ihn umgaben, unbefangen und klar beurteilte. Nur als ich ihn fragte, ob die katholischen Missionäre ihr Arbeitsfeld mit den protestantischen gütlich geteilt hätten, dergestalt daß die Katholiken den St. Josephs-Distrikt, die Protestanten das Gebiet westlich und östlich davon als ihre Sphäre betrachteten, lachte er über solche Auffassung und sagte, davon könne nicht die Rede sein. Sie arbeiteten hier, weil sie vorläufig hierher gesetzt seien; was die protestantischen Missionäre täten, gehe sie nichts an. Denn jene vermöchten nicht die Seelen aus der ewigen Verdammnis zu


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003