Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

Volltext

[Vorige Seite][Index][Nächste Seite]

386 Neu-Guinea. Von Jule Island bis zum Südkap.

eine Art Präventivmittel gegen den schweren Alkoholismus. Leider wirkt nur das Bier in den Tropen durch seine Einwirkung auf Magen und Leber bei reichlichem Genuß fast noch gesundheitsschädlicher als die starken Spirituosen.

Von den Eingeborenen sahen wir anfangs vorwiegend Weiber und Kinder, weil die meisten Männer auf einem großen Fischzuge abwesend waren. Durch stattliche, große und kräftige, wohlgebildete Körperformen unterschieden sich die Eingeborenen dieses Küstenstrichs bis nach Aroma hin von ihren östlichen und westlichen Nachbarn. Unter den Mädchen fielen mir mehrere auf, die besonders wohlgebaut und selbst für unsere Begriffe beinah hübsch waren. Viele der Kinder hatten Haare, die man als dunkelblond hätte bezeichnen können, und die hie und da einen Übergang vom Krausen in das wellig Gelockte darstellten. Finsch hat hier sogar ganz schlichtes Haar bei den Eingeborenen beobachtet. Es scheint, daß die Haare im höhern Lebensalter nachdunkeln, aber tiefschwarz scheinen sie fast niemals zu werden. Die Körperfarbe ist braun, nicht so hell wie die der Eingeborenen von Roro, aber auch nicht so dunkel wie die der Motu-Motus. Manche Eingeborene, besonders Frauen, waren an Stirn, Nase, Brust, Rücken, Armen, selten an den Beinen tättowiert. Die Tättowierung besteht aus größeren Strichen und Punkten, die hübsche und abwechslungsreiche Muster bilden. Als Ohrschmuck werden hier häufig zierlich geschnittene Schildpattplatten verwendet, die in ganzen Bündeln an den enorm ausgeweiteten Ohrlöchern aufgehängt werden. Häufig stecken aber auch die Mädchen eine Blume ins Ohr oder in das Armband, das ihren Arm ziert. Als Halsschmuck dient oft ein mächtiges, sichelförmig geschnittenes Stück Perlmuttermuschel, wie man es an verschiedenen Mädchen der Abbildung auf der folgenden Seite bemerkt.

Die Kinder und Mädchen waren hier sehr zutraulich, immerfort brachten sie mir Eidechsen, Schmetterlinge und andere Insekten, und fast den ganzen Tag über war eine Kindergesellschaft vor der Veranda unsers Hauses versammelt und begleitete uns auf allen Ausgängen und Streifzügen.

Die Knaben gehen bis sie erwachsen sind völlig nackt. Mit Eintritt der Mannbarkeit wird die Scham nicht verhüllt, sondern einfach hoch gebunden. Die Mädchen tragen vom 5. oder 6. Jahre an den Gras- oder Kokosfaser-Rock; der übrige Körper bleibt hier wie überall in Neu-Guinea zeitlebens unbedeckt. Photographiert zu werden war ein Hauptspaß für alle, und es kostete immer Mühe, ein einzelnes Objekt zu isolieren, um nicht statt eines gleich 30 oder 40


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
Dieses Buch ist Teil von www.biolib.de der virtuellen biologischen Fachbibliothek..
© Kurt Stueber, 2003