Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Paradiesvogelbraten. 411

scheint aber, daß wir Weißen nicht gut schmecken, was vielleicht auf unsre Vorliebe für Fleischnahrung zurückzuführen ist. Eine Anekdote ist es wohl bloß, wenn behauptet wird, daß Chinesenfleisch bei den Papuas, die noch dem Kannibalismus huldigen, ein sehr gesuchter Artikel sein soll; die schwarzen Gourmets sollen behaupten, Chinesen schmeckten sehr süß und saftig, »ganz wie Schwein«.

Endlich kamen wir zu unserm Kanoe, und ich hoffte, nun endlich einmal etwas Ordentliches zu essen zu bekommen, denn ich verging fast vor Hunger. Wieder aber gab es nur Taro und Yams und zum Glück noch eine einzige fleischige Kokosnuß. Das war mir aber doch zu arg. Ich hätte zwar die nächste Stunde noch gut zur Jagd benutzen können, setzte mich aber lieber hin und balgte meine beiden Paradiesvögel sofort ab; dann wanderten die Körper in unsern Kochtopf und nie hat mir vorher oder nachher eine Speise so geschmeckt, als die beiden Paradiesvogelbraten, die ich hier, ausgestreckt unter den Bäumen des Flusses und umgeben von den dunklen, mähnenhaarigen Papuas, verzehrte, die merkwürdigste Mahlzeit, die ich je gehalten habe. Als vorsichtiger Forscher will ich mich übrigens der Behauptung enthalten, das Paradiesvogelfleisch sei an und für sich eine gute Speise, ich sage nur, es schmeckte mir damals ausbündig gut. Leider war es nur allzu wenig für meinen Wolfshunger. Da aber bemerkte ich zum Glück, daß sich ein großer blaugrauer Reiher nicht fern von uns am Flußufer niedergelassen hatte. Vorsichtig auf allen Vieren an ihn herankriechend und Büsche und Steine als Deckung benutzend, gelang es mir, auf Schußweite heranzukommen und unserm Topfe einen Braten zu liefern, an dem man sich nach Herzenslust satt essen konnte. Auch dieser Reiher schmeckte mir ausgezeichnet, obwohl bekanntlich das Fleisch der Reiher und andrer Wasservögel, die sich ausschließlich von Fischen ernähren, in Europa für geradezu ungenießbar gilt. Das ist unrichtig. Der widerwärtige Fischgeschmack, der dem Wildbret der Reiher, Tauchenten und Möven innewohnt, rührt lediglich von dem Fett her, welches sich im Unterhautbindegewebe befindet. Kocht oder brät man die Tiere nicht in der Haut, sondern balgt sie sorgfältig ab und entfernt alles Fett zwischen Haut und Fleisch, so sind auch jene Vögel sehr wohl genießbar; sie stellen eine erträgliche, wenn auch nicht gerade feinschmeckende Nahrung dar.

Am nächsten Tage setzten wir unsre Jagd fort. Ich schoß noch ein erwachsenes Männchen der Paradisea raggiana, und Assi erlegte ein reizendes Exemplar des herrlichen kleinen Königsparadiesvogels,


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003