Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Batavia. 447

die Vulkane und das Meer kein ausgedehnteres Vorland einschiebt, verhält es sich im äußersten Westen der Insel, in der Gegend von Batavia, anders. Ein breiter Streifen zunächst ebenen, dann hügeligen Landes ist dem Gebirge vorgelagert, und erst in weiter Ferne erblickt der vom Meere aus Kommende die schön gestalteten Formen der Vulkangruppen des Salak und Gedeh. Diesen Anblick hat man nur in den ersten Morgenstunden, weil sich, sobald die Sonne höher steigt, regelmäßig Gewölk im Süden zusammenballt und die Berge verdeckt. Im Innern von Batavia selbst sieht man nirgends etwas von den fernen Bergen. Auch merkt man nicht, daß man in einer Seestadt ist, weil die eigentliche Stadt landeinwärts von Kap und Hafen Tandjong Priok liegt, und es einer Eisenbahnfahrt von 18 Minuten bedarf, um von einem Ort zum andern zu gelangen.

Die Hafeneinfahrt ist durchaus nicht schön. Ebensowenig hat mich die Stadt Batavia entzückt, die in erster Linie eine tropische Großstadt ist und in zweiter Linie durch den gänzlichen Mangel an schönen öffentlichen Gebäuden auffällt. Bei der weitläufigen Bauart der Straßen vergeudet man viel Zeit, um von einem Ort zum andern zu gelangen. Wenn man allerdings die Augen auftut, tritt einem überall eine Fülle von Fremdem und Interessantem entgegen: Kanäle, welche die Straßen durchziehen und an holländische Grachten erinnern, schöne tropische Pflanzungen und Gärten, chinesische Bazare, Araber, Indier, einheimische Volksküchen im Freien, tausend kleine Züge javanischen Volkslebens, überall Betriebsamkeit und Bewegung, dazu alles übergossen von der blendenden Sonne des sechsten Breitengrades.

Es gibt Menschen, auf die solche Eindrücke begeisternd und berauschend wirken. Wer sich von Berlin und Paris mehr angezogen fühlt als von Thüringen und der Provence, dessen Hauptinteresse wird sich bei einer Weltreise auch auf Singapore, Batavia und Hongkong konzentrieren. Ich gehöre aber zu denen, die ein Bild mit wenigen ausdrucksvollen Gestalten einem figurenreichen Gewühl vorziehen: mir wird das Beobachten durch die Fülle der Eindrücke gestört, und die Stickluft, die allen Großstädten eigen zu sein scheint, beengt mir die Brust.

Ich hatte zahlreiche Geschäfte in Batavia zu besorgen, besuchte unsern deutschen Generalkonsul, Herrn Dr. Gabriel, der mir von da an während meines ganzen Aufenthalts in Niederländisch-Indien immer hilfbereit und gefällig zur Seite gestanden ist, ging zum Bankier und machte eine Anzahl Einkäufe. Wie froh war ich aber, als ich um halb 4 Uhr alles erledigt hatte und der heißen Riesenstadt den


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003