Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

Volltext

[Vorige Seite][Index][Nächste Seite]

Korallengärten.

verschwindet im Magen, der in der Achse des scheinbaren Blütenstiels liegt. Der Vergleich aller jener »Seegewächse« mit Pflanzen, der Name »unterseeische Gärten« ist eben nur vom ästhetischen, nicht vom naturwissenschaftlichen Standpunkt gerechtfertigt.

Sehr zahlreich ist in den ambonesischen submarinen Tuinen eine andre Gruppe festsitzender niedrer Seetiere vertreten, die dadurch allgemeineres Interesse besitzen, daß sie besonders im Bau ihrer Jugendstadien deutliche Übereinstimmungen mit den Wirbeltieren erkennen lassen, die auf entfernte verwandtschaftliche Beziehungen hinweisen. Es sind die Seescheiden oder Ascidien. Sie gehören zur Klasse der Manteltiere oder Tunicaten, die von manchen Zoologen zu den Würmern gestellt, von ändern als ein besonderer Tierstamm betrachtet, von wieder ändern als Urochordaten zu den niedersten Wirbeltieren oder Cephalochordaten (dem berühmten Amphioxus) in nähere Beziehung gesetzt werden. Von Ascidien sammelte ich in den ambonesischen Korallengärten sehr zahlreiche Arten, von denen nicht weniger als dreizehn neu sind.

Ich will der Lockung widerstehen, das Tierleben in jenen Tuinen weiter auszumalen, denn es gibt unzählige Schilderungen des marinen Tierlebens der Nordsee und des Mittelmeeres und farbenreiche Gemälde der Schönheiten tropischer Korallenbänke in Wort and Bild. Nur etwas möchte ich erwähnen, was den Korallengärten einen ganz besondern Reiz verleiht. Es sind die wunderbar gefärbten Vögel, die die Gewächse des Gartens umschweben und zwischen den Zweigen des Korallenwaldes auf- und abgleiten. Natürlich keine wirklichen Vögel. Aber kleine Fische von solchem Farbenglanz und einer solchen Schönheit der Zeichnung, daß sie sich dreist mit Papageien und Kolibris messen können.

Diese »Korallenfische« gehören zwei Familien an, den Squamipennes oder Schuppenfiossern und den Pomacentriden oder Rifffischen. Der Leib ist bei beiden Familien seitlich stark zusammengedrückt, sein Höhendurchmesser (von Rücken zu Bauch) dafür aber sehr bedeutend, die Schnauze ist oft rüsselförmig verlängert, die Rücken- und Afterflosse zuweilen zu ungeheuer langen, phantastischen Fortsätzen ausgezogen. Fast alle Korallenfische prangen in den herrlichsten Farben, in Silber oder Gold, Purpur, Ultramarin oder leuchtender Orange, einige sind einfarbig, andre mit Bändern, Quer- oder Längsstreifen, Augenflecken, mit Mustern versehen, wie noch keine menschliche Phantasie sie ausgedacht hat. Von hervorragender Schönheit sind die Gattungen Chaetodon, Heniochus und Holacanthus der Squamipennes, und Pomacentrus, Dascyllus und Glyphiodon der Poma-


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
Dieses Buch ist Teil von www.biolib.de der virtuellen biologischen Fachbibliothek..
© Kurt Stueber, 2003