Berg- und Seefahrten (1923)

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runden, wellenförmig aufeinanderfolgenden Sandsteinkuppen über den unabsehbaren Häusermeeren der Kaiserstadt hinzieht. Die letztere übersieht man fast in allen Teilen sehr gut, da sie bedeutend tiefer liegt, als der auf dem höchten Außenpunkt der Stadt liegende Südbahnhof, auf dem man im zweiten Stock des Gebäudes in die Wagen einsteigt. Auch weiterhin bleibt die Bahn meist beträchtlich über der Ebene erhoben, so daß links der Blick frei über die weiten, grünen, fruchtbaren Flächen bis zum Leithagebirg, das östlich den Horizont umzieht, hinschweift, während rechts (westlich) eine stete Abwechslung der heitersten und buntesten Landschaftsbilder das Auge in ununterbrochener Aufmerksamkeit erhält. Die Vorstädte Wiens setzen sich nach außen überall in große Dörfer fort, die durch die zahlreichen schönen Villen, Gärten, Landhäuser, Parks und Sommerfrischen derreichen Wiener ein sehr anmutiges Ansehen erhalten und in stetem bunten Wechsel bis über Baden hinaus am Fuße des grünen Kahlenbergs und weiterhin des Wiener Waldes sich hinziehen. Den belebtesten, interessantesten und schönsten Teil dieses Zuges bildet die Strecke zwischen Brunn und Vöslau und innerhalb dieser wieder diejenige von Mögling bis Baden.

In Mödling stiegen wir nach 3/4stündiger Fahrt aus und wanderten zunächst in den Brühl herauf, dem herrlichen Kalkfelsental, in dem wir schon auf einer früheren Exkursion (am 9. Mai) die kostbaren Naturschönheiten hatten kennen lernen, die Wiens nächste Umgebung so sehr von derjenigen aller andern großen deutschen Residenzen auszeichnen. Es ist eigentlich eine enge, tief und zackig ausgeschnittene Schlucht, mit nacktem gelbem Kalkgestein und dunkelgrünen Waldabhängen, überwiegend aus den sehr interessanten Pinus austriaca (sive nigricans) gebildet, einem von unseren Föhren und Tannen im ganzen Habitus sehr abweichenden Nadelholz mit knorrig starkem, untersetztem Stamm und fast schwarzgrüner Nadelkrone, die sich meist in Gestalt eines flachen doldenartigen Schirms über dem Gipfel des meist niedrigen, dicken, aber bis hinauf zur Krone ganz kahlen und astfreien Stammes ausbreitet. Bald gleicht sie mehr der Pinie, bald mehr der Kiefer, ist aber durch das düstere Schwarzgrün der Nadeln, die mattgraue Rinde des knotigen, nackten Stammes und die kurze gedrungene Statur leicht schon von weitem zu unterscheiden. Einen ganz reizenden Gegensatz bilden zu dieser österreichischen Schwarzföhre jetzt im Frühling die freudiggrünen Laubholzgruppen, die in der lieblichsten bunten Zeichnung überall aus dem schwarzen Bergmantel der ersteren hervorleuchten und an Reinheit und Intensität der prächtig hellgrünen Farbe mit den jungen Wiesenmatten wetteifern, die den Boden des Tals bekleiden. Selbst die gelben Kalkfelsen nehmen sich in diesem Bilde recht gut aus, zumal sie stellenweis mit leuchtend bunten Blumenherden bekleidet sind. Rechnet man dazu noch das bunte Leben, das die weit im Tal sich hinaufziehenden Land- und Bauernhäuser, die geputzten Sonntagsbesucher und im Gegensatz dazu die zahlreichen


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von Herrn Dr. Kurt Stüber zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Juni, 2003. Eingabe des Textes durch Kurt Stüber, Oktober, 2003.
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