oft überschreitet, bald rechts, bald
links, bald unmittelbar neben, bald hoch über ihm. Am Eingang des Tals liegt ein schönes großes Hammerwerk mit
einer Hauptkohlstätte von 40 Meilern. Weiterhin erinnern nur einzelne Holzknechtskasernen und braune Sennhütten an
menschliche Spur.
Schon gleich beim Eintritt in das Tal bewillkommnete uns eine Deputation reizender Alpenpflänzchen: Cineraria
aurantiaca, Primula farinosa, Gentiana verna, Pinguicola vulgaris et alpina, Cardamine trifolia,
Erica carnea, Polygala Chamaebuxus (eine prächtige rote Varietät), Lonicera alpigena,
Viola biflora u. a. folgten. Kaum wußten wir, wo wir bei all den Herrlichkeiten zuerst unsern Blick hinwenden
sollten, auf den herrlichen Frühlingsblumen oder den prächtigen, laubgemischten Schwarzwald, auf den wilden,
grünen Bach oder die großartige Felsszenerie. Den Gipfel majestätischer Wildheit erreichte letztere gegen Einde
unserer Wanderung, wo sich links die sogenannte "große Hölle" öffnet, ein furchbar wilder und großartiger
Talkessel, beinah amphitheatralisch halbrund, indem von drei Seiten aus ganz nackte, glatte, gelbe, wild
zerklüftete Kalkfelsen sich jäh und steil zum ewigen Schnee aus dem flachen grünen Pianoboden des Kessels
emporsteigen, daß nirgends die Vegetation auf ihren nackten Schultern haften kann. Ich erwartete unwillkürlich,
im Hintergrunde des Kessels einen See zu finden, so sehr erinnerte mich das gigantische Amphitheater an die
Umgebung des Gosau-Sees. Allein es fehlt am Eingange des Tales der felsige Querriegel, der die abfließenden Schneewässer
gedämmt und angestaut hätte. Auch an die kleinere Schneegrube der Sudeten konnte das Bild erinnern.
Eine Stunde weiter fanden wir ein gastliches Unterkommen bei der "Singerin", einer kleinen Gebirgskneipe, die die
Nachteile der Zivilisation mit den Vorteilen eines Alpenhauses verband. Nach prächtigem Schlaf, der uns für die
vorige Nacht mit entschädigte, wurden wir schon früh durch den Lärm einer Schar von einigen hundert Ungarn geweckt,
die nach Mariazell wallfahrteten. Zugleich spielte uns auch ein glücklicher Zufall einen Führer in die Hänge,
der sonst sehr schwer zu finden gewesen wäre. Es bot sich uns ein alter Sennhirt an, der den k. k. Jägern am Fuß
der Raxalp Lebensmittel bringen sollte. Um 6. Uhr früh traten wir mit ihm unsere Alpenwanderung an beim herrlichsten
Maienwetter, das uns auch während usnerer ganzen viertägigen Tour getreu blieb. Wir wendeten uns links vom
Schwarzautal an, indem wir die westliche Richtung in eine südliche änderten, und wanderten eben 1 Stunde in dem
malerischen Naßtale aufwärts, das anfangs mehr weit und lieblich, später enger und wilder wird. Felsen engen es
endlich auf kurze Strecken weit so von beiden Seiten ein, daß eine schmale Brücke der Länge nach über den
tosenden Bach hinkriechen muß. Um zu der Jagdstation aufzusteigen, bogen wir dann bald links vom Wege ab und
kletterten auf einem sehr steilen Fußsteige, der fast treppenartig an der jähen Bergwand empor
|
Faxsimile (Scan) dieser Textseite.
|