kosten, da Arrecife, obschon über 2000 Einwohner besitzend und Hauptort der Insel Lanzarote, dennoch keineswegs
einer Stadt oder einem Hafenort nach europöischen Begriffen entspricht, vielmehr in Bauart, Umgebung, Einrichtung
usw. der nur wenige zwanzig Meilen entfernten marokkanischen Küste von Afrika entnommen scheint. Die meisten Häuser
sind einfache, einstöckige, weiße Würfel ohne Dach, bloß mit einer Tür, ohne Fenster, oder nur mit 2-4 Fensterlöchern,
die aber nur durch grüne Holzläden, nicht durch Scheiben, gesclossen werden. Nur einige Häuser besitzen Fenster
mit Glasscheiben, und ein solches zu erobern wird morgen unsere nächste Aufgabe sein. Bei den guten Empfehlungen, welche
ich hierher mitgebracht, wird es uns hoffentlich gelingen, uns in einem erträglichen, arbeitsfähigen Zustande
einzurichten. Sind wir erst eingerichtet, so wird uns das Studium der Meeresfauna von Arrecife für die nächsten
3 Monate ganz ausschließlich in Anspruch nehmen, da wir alles, was wir überhaupt von Seetieren in dem wenig
bekannten kanarischen Archipelagus finden könnten, sicherlich hier am besten finden. Zudem ist Lanzarote, ebenso wie die
nahe Insel Fuerteventura, eine so wüste Einöde, so entblößt von Vegetation und anderen Naturschönheiten, daß keine
verlockende Exkursion uns von unserem Arbeitstisch wegziehen wird. Zwar sind diese beiden Inseln nicht gerade, wie uns
Herr Berthelot in Santa Cruz sagte: "Partiees detachées de la Sahara" zu nennen. Denn Lanzarote
sowohl als Fuerteventura sind keine flachen Sandinseln, sondern Konglomerate von zahlreichen, niedrigen, vulkanischen
Kegelbergen, deren höchste kaum 2000 Fuß Höhe erreichen. Allein diese Berge selbst sind ganz nackt und ohne
Vegetation. Auf der ganzen Insel haben wir noch keinen Baum erblickt, und die kleine Hafenstadt liegt in der
nacktesten, ödesten Umgebung. Das einzige Grün der Insel bilden ausgedehnte Kaktusfelder, auf denen die Koschenilli-Schildlaus,
der einzige Erwerbszweig der Insulaner, gezogen wird. So wird denn unser Skizzenbuch jetzt vollständig Ruhe haben und
der Pinsel nicht mehr für Landschaften, sondern nur noch für Tiere in Anwendung kommen.
Nach den bunten und mannigfaltigen Reiseeindrücken, welche uns das unstete Nomadenleben der letzten 2 Monate
gebracht hat, sind wir übrigens herzensfroh, hier endlich einen festen Ruhepunkt gefunden zu haben, und werden nun mit
doppeltem Eifer an die Arbeit gehen. Die letzten 8 Tage haben noch möglichst dazu beigetragen, in uns dieses
Gefühl ganz besonders lebhaft zu erwecken; sie gehörten zu den unangenehmsten und beschwerlichsten Reisetage, deren
ich mich erinnere. Da eine regelmäßige Dampfschiffverbindung zwischen den Kanarischen Inseln leider noch nicht
existiert, so waren wir gezwungen, um von Teneriffa nach Lanzarote zu gelangen, das sogenannte Postschiff zu
benutzen, d. h. ein Segelboot der elendsten Art, welches Vieh und Lebensmittel aller Art von einer Insel zu andern
bringt und welches nebenbei zugleich die Post und eine beschränkte Anzahl Passagiere befördert. Montag, den 3.
Dezember, sollte dieses Correos
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