freiung von der verhaßten Fremdherrschaft
jubelten, da war diese Freude nur von kurzer Dauer, und bald kamen viele zu der Einsicht, daß die Insel dadurch mehr
verloren als gewonnen habe.
In der Tat verdankt Korfu fast alles, was es an moderner Zivilistion und europäischem Komfort aufzuweisen hat, und
wodurch es sich sehr auffallend vor den übrigen ionischen Inseln auszeichnet, der 50jährigen Herrschaft Großbritanniens.
Mit der Energie und Umsicht, mit welcher die angelsächsische Rasse überall ihr eigentümliches Kolonisationstalent
betätigt, hat sie auch hier in kürzester Zeit sehr viel geschaffen. Die Regierung und Verwaltung der Insel wurde
vollständig reorganisiert, Schulen und andere Bildungsanstalten gegründet, der Ackerbau, Wein- und Ölkultur verbessert.
In der Stadt wurden zahlreiche neue, stattliche und wohnliche Häuser gebaut. Die Esplanade, ein großer viereckiger
Raum zwischen der Stadt und der Zitadelle wurde geebnet und zu einem reizenden Platze umgeschaffen, mit schattigen
Baumalleen umgürtet und durchkreuzt, teilweise mit Gebüschen und Parkanlagen verziert. Er bildet noch jetzt den
anmutigsten und größten Platz der Stadt, ist jederzeit von Spaziergängern und ruhenden Gruppen belebt udn bei
schönem Wetter der allgemeine Korso, das Stelldichein für die ganze schöne und elegante Welt von Korfu.
Am nördlichen Teile der Esplanade baute sich Sir Thomas Maitland, der erste Lord-Oberkommissär, ein stattliches
Schloß, jetzt die königliche Residenz. In den reizenden Gartenanlagen, welche das Schloß umgeben, steht die
Bronzestatue desselben Lords, feierlich in eine faltenreiche Toga gekleidet, wie ein altrömischer Redner. Zu seiner
Ehre ist auch ein kleiner Rundtempel am Südende der Esplanade erbaut. Seinem Nachfolger, Lord Douglas, zu Ehren wurde
daselbst ein Obelisk errichtet. Andere Denkmäler von bleibendem Werte, mit denen die Engländer Korfu beschenkten,
waren die Anlagen von guten Chausseen und von einer ausgezeichneten Wasserleitung. Letztere ist über eine geographische
Meile lang und führt eine reiche Fülle trefflichen Quellwassers von dem zwischen Benizze und Gasturi gelegenen Berg nach
der Stadt; vorher hatte dieselbe an gutem Trinkwasser empfindlichen Mangel gelitten. Ganz besonderes Lob verdienen die
ausgezeichneten Fahrstraßen, welche die Engländer durch alle Teile der gebirgigen Insel legten und welche zu den
schönsten Punkten führen.
Vorzügliche Sorgfalt verwendete die britische Regierung natürlich auf den Ausbau der Festungswerke. Unter geschickter
Benutzung der älteren venetianischen Bauten wurde sowohl die Stadt selbst als besonders die Zitadelle auf das stärkste
befestigt. Neue Forts und Außenwerke entstanden in der Umgebung der Stadt. Die kleine Insel Vido, 1/4 Stunde nördlich
vor derselben, wurde in ein mächtiges Außenfort verwandelt, alle bastionen mit mächtigen Geschützen reichlich armiert.
So lag Korfu wie ein kleines Gibraltar am Tore der Adria und beherrschte den Eingang zu diesem
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