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Kapitel III]
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Inhaltsverzeichnis][
Kapitel V]
Kapitel IV
Whist-Bungalow
Die reizende Villa in Colombo, in welcher ich die beiden ersten Wochen
auf Ceylon verlebte, liegt, wie schon gesagt, am nördlichen Ende
der Stadt, oder vielmehr ihrer entlegenen Vorstadt Mutwal, gerade in
dem Winkel, welchen der Kelany-Ganga, der Colombofluß, an seiner
Einmündung in das Meer bildet. Man wandert vom Fort aus
zwischen den Erdhütten der braunen Eingebornen eine gute
Stunde durch die Pettah und deren nördlichen Ausläufer,
um Whist-Bungalow zu erreichen. Diese einsame Lage, inmitten der
schönsten Natur, weit ab vom Geschäftsviertel und noch viel
weiter von den südlich jenseits gelegenen beliebten
Villenvorstädten Kolpetty, Cinnamon-Garden u. s. w., ist eine der
Ursachen des besonderen Reizes, welchen dieses stille Landhaus von
Anfang an auf mich ausübte. Eine andere Ursache freilich lag in
der herzlichen und zwanglosen Gastfreundschaft, welche die Bewohner
von Whist-Bungalow (- außer Stipperger noch drei liebe deutsche
Landsleute -) von Anfang an mir entgegenbrachten. Daher erwachte ich
schon am ersten Morgen daselbst mit dem angenehmen Gefühl,
auf der fremden indischen Wunderinsel, 6000 Seemeilen von der
deutschen Heimath entfernt, eine freundliche Heimstätte für
meinen Aufenthalt dort gefunden zu haben. Aus den „paar Tagen",
welche ich zuerst nur in Whist-Bungalow bleiben wollte, wurden bald
„ein paar Wochen", und da ich auch nach der Rückkehr vom
Süden, sowie am Ende meines Aufenthalts auf Ceylon eine Woche
dort verweilte, so kam im Ganzen fast ein Monat zusammen, der von
meinen vier Monaten auf Ceylon diesem lieblichen Gartenhause zufiel.
Da Platz genug vorhanden war, um meine umfangreichen
Gepäckstücke und Sammlungen dort unterzubringen und zu
ordnen, so wurde mir Whist-Bungalow zugleich zum bequemsten
Standquartier für meine weiteren Ausflüge; als ich dann
nach den Anstrengungen und Strapazen der Arbeit an der
Südküste, wie der Gebirgsreise im Hochlande wieder nach
Whist-Bungalow zurückkehrte, hatte ich stets das wohlthuende
Gefühl, daheim unter lieben Freunden und Landsleuten als gern
gelittener Gast zum Besuch zu sein. Es ist daher nur recht und billig,
wenn ich hier diesem wunderlieblichen Erdenfleck eine besondere
Beschreibung widme, um so mehr, als ich auf demselben meine ersten
Kenntnisse von Natur- und Menschenleben der Insel aus eigener
Anschauung sammelte.
W h i s t -
B u n g a l o w
verdankt seinen sonderbaren Namen dem Umstande, daß der erste
Besitzer dieser entlegenen Villa, ein alter englischer Officier zu Anfang
des Jahrhunderts, seine Kameraden Sonntags hierher zu einer
Whistpartie einlud. Da die strenge Observanz der englischen Kirche eine
solche Entheiligung des Sonntags natürlich stark verpönte,
mußten diese lustigen Zusammenkünfte ganz geheim
gehalten werden; und je mehr die hier versammelten Kriegskameraden
froh waren, der entsetzlichen Langenweile des englischen Sonntags und
der orthodoxen Gesellschaft glücklich entronnen zu sein, desto
heiterer ging es bie den Whistpartien und den damit verknüpften
Trinkgelagen im einsamen Bungalow zu.
Damals war aber Whist-Bungalow nur eine ganz einfache, kleine, in
dichtem Gartengebüsch versteckte Villa. Zu dem stattlichen
Landhause in seiner jetzigen Gestalt wurde es erst durch seinen
späteren Besitzer, einen Advocaten Morgan erweitert. Derselbe
war ein lustiger Lebemann, und verwendete einen großen Theil
seines Vermögens darauf, um die Villa - ein kleines „Miramare"
von Ceylon - ihrer reizenden Lage entsprechend auszubauen und zu
verschönern. Der große Garten wurde mit den herrlichsten
Bäumen und Zierpflanzen ausgestattet. Eine stattliche Colonade mit
luftiger Veranda erhob sich um das vergrößerte Landhaus,
während seine weiten und hohen Säle innen mit dem
prächtigsten Luxus fürstlich ausgestattet wurden. Und
manches Jahr wurden hier Diners und Trinkgelage abgehalten, bei denen
es noch viel üppiger und glänzender - wenn auch nicht
lauter und lustiger - zuging, als früher bei den einfacheren
Kneipereien der Whistofficire. Es scheint aber, daß Mr. Morgan
schließlich nicht mehr die colossalen Ausgaben für sein
Miramare und seine lucullische Lebensweise daselbst in richtiges
Verhältniß zu seinen großen Einnahmen brachte. Denn
als derselbe plötzlich starb, fand sich in der Casse ein großes
Deficit vor; die zahlreichen Gläubiger belegten Whist-Bungalow mit
Beschlag und mußten schließlich, als es unter den
Auctionshammer kam, froh sein, wenigstens einen kleinen Theil ihres
geliehenen Geldes aus dem Erlöse wieder zu erhalten.
Nun kam aber ein Wendepunkt in der Geschichte der schönen
Villa, und der neue Besitzer sollte derselben nicht recht froh werden.
Denn die Fama, die an den romantischen Fleck schon manche
abenteuerliche Sage geknüpft hatte, behauptete jetzt mit
zunehmender Bestimmtheit, daß es in Whist-Bungalow nicht recht
geheuer sei und daß der Geist des plötzlich verschiedenen
Mr. Morgan daselbst allnächtlich „umgehe". Nachts um die
zwölfte Stunde - bald mit, bald ohne Mondschein - sollte daselbst
ein greuliches Gelärm und Gepolter sich erheben: weiße
Gestalten huschten durch die weiten Säle, geflügelte
Dämonen flatterten durch die Säulenhallen, und andere
Geister mit glühenden Augen trieben sich auf den Dächern
umher. Als der Teufel Oberster aber sollte Mr. Morgan selbst den Spuk
anführen und dirigiren. Man gab ihm Schuld, daß sein
stattliches, jetzt so spurlos verduftetes Vermögen, nicht ganz auf
richtigem Wege erworben sei, und daß er gleich so vielen anderen
Advocaten, seine ausgedehnte Rechtskunde weniger benutzt habe,
seinen Clienten Recht zu verschaffen, als vielmehr deren fließende
Goldquellen in seinen eigenen weiten Säckel hinüber zu
leiten; er sollte große Summen unterschlagen, Mündelgelder
veruntreut haben u. dgl. mehr. Zur Strafe dafür mußte er nun
an dem Orte seiner früheren Bacchanalien als ruheloser Geist
allnächtlich umgehen. Und so viele Singhalesen aus der
nächsten Nachbarschaft von Mutwal hatten diesen
Geisterlärm gehört und den Spuk selbst gesehen, daß
der neue Besitzer von Whist-Bungalow weder selbst hineinziehen wollte,
noch einen Mieter finden konnte.
So stand Whist-Bungalow leer, als unser Freund S. davon hörte
und beim Anblick der reizenden Villa sie zu miethen beschloß.
Aber auch das hatte seine großen Schwierigkeiten. Denn kein
Diener war zu finden, der in das berüchtigte Spukhaus hätte
mit hineinziehen mögen. Das gelang erst, nachdem der Nachweis
naturwissenschaftlich geführt war, daß alle die Geister
zoologischen Ursprungs seien. St. erwartete den berüchtigten Spuk
in der ersten Nacht wohlbewaffnet mit Gewehren und Revolvern, und
nun stellte sich, wie erwartet, heraus, daß derselbe aus echten
leibhaftigen Säugethieren von Fleisch und Blut bestand, zu
welchen der selige Mr. Morgan in keinem näheren
Verwandtschaftsverhältnisse stand. Die geheimnisvollen
Klettergeister entpuppten sich erschossen als wilde Katzen, die
Huschgeister als riesige Bandicutratten und die Flattergeister als
fliegend Füchsste (Pteropus). Nunmehr wurden angesichts
dieser überzeugenden Ausbeute der nächtlichen Jagd die
Bedenken auch der furchtsamsten Diener überwunden und Freund
St. zog zuversichtlich in das einsame Whist-Bungalow ein. Der
verwilderte Garten wurde neu und verbessert hergerichtet, die
verödeten Räume neu ausgestattet; und als einige deutsche
Landsleute die neu eingerichtete Villa sahen, gefiel sie ihnen so
ausnehmend, daß sie den neuen Miether baten, ihnen einen Theil
der umfangreichen Räumlichkeiten zur Wohnung zu
überlassen. Das geschah, und so fand ich denn bei meiner Ankunft
das vierblättrige deutsche Kleeblatt daselbst vor, mit welchem ich
so manchen vergnügten Abend verplauderte. Dabei fehlte es nie
an der nöthigen Mannigfaltigkeit der individuellen Anschauung,
die bei uns Deutschen trotz der berühmten „Deutschen Einigkeit"
unerläßlich ist. Herr Both aus Hanau (dem ich eine nette
Reptiliensammlung verdanke) vertrat das Frankfurter Deutschland, Herr
Suhren aus Ostfriesland (der mich mit einer schönen
Schmetterlingssammlung beschenkte) den äußersten
Nordwesten, und Herr Herath aus Bayreuth (der mich durch
Paradiesvögel, Papageien und Honigvögel erfreute) den
bajuwarischen Süden des Vaterlandes.
Der besondere Reiz, den Whist-Bungalow vor anderen Villen von
Colombo voraus hat, ist theils in seiner herrlichen Lage, theils in seinem
prächtigen Garten begründet. Während die
Nebengebäude (Dienerwohnungen, Stallungen u. s. w.) hinten im
Garten versteckt liegen, tritt das Hauptgebäude nahe bis an den
Rand des schönen Wasserspiegels vor, welcher sich an der
Westseite ausbreitet. Die luftige Veranda bietet den herrlichsten Anblick
auf das weite Meer, auf die Mündung des Kelanyflusses und auf
eine reizende, mit dichtem Wald bedeckte Insel, welche in seinem Delta
liegt. Weiter nach Norden hin folgt der Blick einem langen Streifen
Cocoswald, welcher die Küste entlang bi sgegen Negombo sich
hinzieht. Nach Süden hingegen stößt an den Garten von
Whist-Bungalow ein malerisches Stück Land, welches in reizender
Unordnung Fischerhütten unter schlanken Cocospalmen zerstreut
zeigt, dazwischen ein kleiner Buddhatempel, weiterhin Strandfelsen mit
Pandanus u. s. w. Von da springt eine schmale sandige Landzunge nach
Norden gegen die Flußmündung vor und legt sich dergestalt
vor unsern Garten hin, daß sie einen kleinen stillen Landsee vor
demselben bildet. Die Landzunge, welche diesen See vom benachbarten
offenen Meere scheidet, ist dich mit der schönen roth
blühenden Geißfußwinde (Ipomoea pes capri) und
dem sonderbaren Igelgrase (Spinifex squarrosus) bewachsen. Sie
trägt auch einzelne Fischerhütten, und bietet den ganzen Tag
über, im beständigen Wechsel der Scenerie, eine Reihe von
unterhaltenden Bildern. Schon am frühen Morgen vor
Sonnenaufgang versammeln sich hier die Fischerfamilien der
benachbarten Hütten, um ihr Morgenbad im Flusse zu nehmen.
Dann kommen die Pferde und Ochsen an die Reihe des Badens.
Fleißige Wäscher sind oft den ganzen Tag mit ihrer Arbeit
beschäftigt, schlagen die Wäsche auf flachen Steinen und
breiten sie am Strande zum Trocknen aus. Zahlreiche Fischerboote gehen
ab und zu, und Abends wenn sie von den Fischern an das Land gezogen
und die großen viereckigen Segel zum Trocknen aufgespannt
werden, gewährt die Landzunge mit ihrer langen Reihe ruhender
Segelboote einen ungemein malerischen Anblick; besonders dann, wenn
die Abendwinde die Segel schwellen und die sinkende Sonne, in das
Meer tauchend, das ganze indische Strandbild mit einer Fluth von
strahlendem Gold, Orange und Purpur übergießt.
Wie meine Freunde mir mittheilten, hat diese sandige Landzunge im
Laufe der Jahre ihre Gestalt vielfach gewechselt. Sie ist in der That eine
bewegliche Barre, wie sie vo rden Mündungen aller
größeren Flüsse in Ceylon sich finden. Die letzteren
bringen, in ihrem wilden Laufe aus dem Gebirge herabstürzend,
eine Masse Sand und Gesteinstrümmer mit sich; und da auch
später im langsameren Laufe durch das flache Küstenland
die reichlichen Regenmassen ihnen täglich große
Quantitäten Erde und Schlamm zuführen, so bilden diese,
wenn sie nachher an der Flußmündung abgelagert werden, in
kurzer Zeit ansehnliche Bänke. Gestalt, Größe und Lage
dieser Barren wechselt aber beständig, je nachdem die
Mündungszweige des Flußendes in seinem flachen Delta hier
oder dorthin ihren Ausweg suchen. So soll früher die
Hauptmündung des Kelany eine Stunde weiter südlich, in
Cinnamon-Gardens, gewesen sein. Die Lagunen daselbst, welche auch
jetzt noch durch Canäle mit dem Flusse zusammenhängen,
sollen Rest der Mündungsarme sein; der größte Theil
der Stadt Colombo läge demnach gegenwärtig auf dem alten
Delta. Auch unsere malerische Barre, gerade gegenüber Whist-
Bungalow, hat abwechselnd an ihrem nördlichen und an ihrem
südlichen Ende mit dem Festlande zusammengehangen; und die
waldbedeckte Insel vor der Hauptmündung ist bald Halbinsel
gewesen, bald wieder isolirte Insel.
Der Strand dieser Insel, sowie auch der Ufersaum der an Whist-
Bungalow anstoßenden Gärten (nördlich von
demselben) ist gleich den Ufern der Flußmündung selbst dich
bewachsen mit den merkwürdigen
M a n g r o v e
-Bäumen, und ich hatte sogleich beim ersten Besuche der
nächsten Nachbarschaft die Freude, diese charakteristische und
wichtige Vegetationsform der Tropen in ihrer merkwürdigen
landbildenden Thätigkeit vor Augen zu sehen. Die Bäume,
welche unter dem Namen der Mangroven oder Manglebäume
zusammengefaßt werden, gehören sehr verschiedenen
Gattungen und Famililen an (Rhizophora, Sonneratia,
Lomnitzera, Avicennia etc.). Sie stimmen aber alle in der
eigenthümlichen Form ihres Wachsthums und der dadurch
bedingten typischen Physiognomie wesentlich überein: die dicht
buschige, meist rundliche Laubkrone ruht auf einem dicken Stamme;
dieser abe auf einer umgekehrten Krone von nacktem vielverzweigten
Wurzelwerk, welches sich unmittelbar aus dem Wasserspiegel erhebt
und mehrere Fuß, oft 6-8 Fuß über denselben
hervorragt. Zwischen den Gabelästen dieser dichten
kuppelförmigen Wurzelkrone sammelt sich der Schlamm und Sand
an, welchen der Fluß an seinen Ufern und besonders an seiner
Mündung absetzt, und so kann der Mangrovewald das Wachsthum
des Landes wesentlich begünstigen.
Aber auch viele organische Substanzen, Leichen und Bruchstücke
von Thieren und Pflanzen bleiben zwischen dem dichten Wurzelwerk
hängen und zersetzen sich daselbst, und so ist der Manglewald in
vielen Tropengegenden zu einer gefürchteten Quelle
gefährlicher Fieber geworden. An den meisten Manglestrichen von
Ceylon, so auch am Kelanyflusse, ist dies nicht der Fall; wie denn
überhaupt viele wasserreiche Districte der Insel (z. B. die
stehenden Lagunen von Colombo selbst) keineswegs ungesund sind.
Obwohl ich viele Nächte in solchen Districten schlief, habe ich doch
niemals einen Fieberanfall gehabt. Es hängt dies wahrscheinlich
damit zusammen, daß die häufigen und großen
Regengüsse der Insel das Wasser der stehenden und
fließenden Becken oft erneuern und die organischen sich
zersetzenden Bestandtheile desselben wegführen, ehe sie
schädlich wirken können.
Am Ufer unseres Gartens selbst treten an die Stelle der Mangroven eine
Anzahl von schönen Bäumen aus der Familie der
A s c l e p i a d
e e n (Cerbera, Tabernaemontana,
Plumiera) - alle ausgezeichnet durch große weiße,
herrlich duftende Blüthen von Oleanderform, die in großer
Zahl am Ende der cendelaberförmig verzweigten Aeste inmitten
glänzender Büschel von großen dunkelgrünen
lederartigen Blättern stehen; die meisten dieser
Asclepiabäume liefern einen giftigen Milchsaft. Sie gehören
zu den häufigsten und am meisten charakteristischen
Verzierungen der Wegränder und Sumpfwiesen im wasserreichen
Flachlande des südwestlichen Inseltheils. Ganz fremdartig und
bezaubernd schön erheben sich dazwischen an andern Stellen des
Ufers, gleich riesigen Federbüschen, die baumartigen
überhängenden Büsche der zierlichen
Riesengräser (Bambusa).
Der G a r t e n
v o n
W h i s t -
B u n g a l o w
selbst ist unter der sorgfältigen und geschmackvollen Pflege von
St. zu einem reizenden Stück Ceylon-Paradiese geworden; welches
von fast allen wichtigen Charakterpflanzen der reichen Inselflora
einzelne Vertreter enthält, und so nicht allein einen duft- und
blüthenreichen Lustgarten, sondern zugleich einen instructiven
botanischen Garten im Kleinen darstellt. Ich bekam hier gleich am ersten
Morgen, als ich wonnetrunken unter dem Schatter der Palmen und
Feigen, der Bananen und Acazien im Garten selbst und in der
nächsten Umgebung umherwandelte, eine gute Uebersicht
über die Zusammensetzung der Flachlandflora. Da ist denn
natürlich vor Allem die edle Familie der Palmen zu nennen mit
ihren wichtigsten und stattlichsten Baumsäulen: Cocos und Talipot,
Areca und Borassus, Caryota und Pamyra; dann die herrlichen
lichtgrünen Bananen mit ihren zarten, vom Winde fiederartig
zerschlitzten Riesenblättern und den werthvollen goldgelben
Fruchttrauben; außer verschiedenen Spielarten der
gewöhnlichen Banane (Musa sapientum) enthält unser
Garten ein hohes Prachtstück von dem seltsamen
fächerförmigen „Baum der Reisenden" von Madagascar
(Urania speciosa). Es steht gerae an der Gabelthelung des
Hauptweges, wo rechts der Weg zum Bungalow hinführt, links zu
einem Prachtexemplar des heiligen Feigenbaumes (Ficus
bengalensis). Der letztere bildet mit seinen
langherabhängenden Luftwurzeln und den daraus entstandenen
neuen Stämmen eine sehr abenteuerliche Figur; mehrere
schöne gothische Bogen öffnen sich zwischen den
Wurzelstämmen, welche säulengleich die Hauptäste
stützen. Andere Bäume aus verschiedenen Gruppen
(Terminalien, Lorbern, Myrten, Eisenholzbaum, Brotfrucht u. s. w.) sind
von herrlichen Schling- und Kletterpflanzen umwuchert und
überzogen, von jenen mannigfaltigen
L i a n e n , die in der Flora
Ceylons eine so hervorragende Rolle spielen. Dieselben gehören
den verschiedensten Pflanzenfamilien an. Denn inmitten der
unübertroffenen Lebensfülle und unter dem beipiellos
günstigen Einflusse der beständigen feuchten Hitze fangen
auf dieser grünen Wunderinsel im dichtgedrängten Walde
eine Menge der verschiedensten Pflanzen an zu klettern und sich an
anderen zu Licht und Luft emporzuwinden.
Von anderen Zierden unseres reizenden Gartens wollen wir hier
besonders noch die großblättrigen Callapflanzen oder
Aroideen nennen und die zierlich gefiederten Farnkräuter - zwei
Pflanzengruppen, die sowohl durch die Masse der Individuen, als durch
die Schönheit und Größe der Blattentfaltung in der
niederen Flora der Insel eine Hauptrolle spielen. Dazwischen finden sich
dann noch viele der herrlichsten tropischen Blatt- und
Blüthenpflanzen zerstreut, die theils auf Ceylon heimisch, theils
aus anderen Tropengegenden, namentlich aus Südamerika
eingeführt sind, aber hier vorzüglich gedeihen. Ueber ihnen
erheben sich stattliche Malvenbäume (Hibiscus) mit
großen gelben oder rothen Blumen, Flammenbäume oder
Acazien mit Massen der prachtvollsten feuerfarbigen Sträuße
(Caesalpinia), mächtige Tamarinden mit aromatischen
Blüthen; und von den Aesten hängen rankende Thunbergien
mit riesigen violetten Glocken herab, sowie Aristolochien mit
großen gelben und braunen Blumentrichtern. Besonders große
und schöne Blüthen zeigen ferner viele Krapppflanzen
(Rubiaceen), Lilienpflanzen, Orchideen u. s. w.
Doch ich will hier nicht den Leser durch den vergeblichen Versuch
ermüden, ihm durch bloße Beschreibung oder
Aufzählung trockner Pflanzennamen eine annähernde
Vorstellung von der berauschenden Pracht zu geben, welche die indische
Tropenflora auf Ceylon entfaltet und von welcher ich im Garten von
Whist-Bungalow und in dessen nächster Umgebung an den Ufern
des Kelanyflusses die erste Vorstellung erhielt. Ich will mich statt
dessen auf die Bemerkung beschränken, daß ich am ersten
Morgen in diesem Paradiese stundenlang wonnetrunken von einer
Pflanze zur andern, von einer Baumgruppe zur andern wanderte,
rathlos, welchem von den zahllosen Wunderwerken der Tropenflora ich
zuerst genauere Betrachtung widmen sollte. Wie armselig und
dürftig erschien mir dagegen Alles, was ich zwei Wochen
früher in Bombay zuerst gesehen und bewundert hatte.
Die
T h i e r w e l t
, welche diese Paradiesgärten von Ceylon belebt, entspricht
im Ganzen nicht der außerordentlichen Fülle und Pracht der
Pflanzenwelt; insbesondere was den Reichthum an schönen,
großen und auffallenden Formen betrifft. Die Insel steht in dieser
Beziehung nach Allem, was ich gehört und gelesen, weit hinter
dem Festlande von Indien und den Sundainseln, namentlich aber hinter
dem tropischen Afrika und hinter Brasilien zurück. Ich muß
gestehen, daß ich in dieser Beziehung gleich im Anfang ziemlich
stark enttäuscht wurde, und daß diese Enttäuschung
später, als ich die Fauna auch in dem wilderen Theile der Insel
genauer kennen lernte, eher wuchs, als abnahm. Ich hatte gehofft, die
Bäume und Gebüsche mit Affen und Papageien, die
Blüthenpflanzen mit Schmetterlingen und Käfern von
seltsamen Formen und glänzenden Farben bedeckt zu finden.
Allein weder die Quantität noch die Qualität dessen, was ich
jetzt hier sah und später fand, entsprach diesen hochgespannten
Erwartungen, und ich hatte schließlich nur den Trost, daß alle
Zoologen, welche früher diese Insel besucht hatten, in
ähnlicher Weise enttäuscht wurden. Immerhin findet sich
jedoch bei genauerem Suchen auch für den Zoologen des
Merkwürdigen und Interessanten die Fülle; und die Fauna
von Ceylon ist im Großen und Ganzen nicht minder
eigenthümlich und fremdartig - wenn auch nicht entfernt so reich
und so glänzend! - als seine Flora.
Diejenigen Wirbelthiere, die mir gleich anfänglich in Whist-
Bungalow und in der nächsten Umgebung von Colombo am
meisten auffielen, waren zahlreiche
R e p t i l i e n&
nbsp; von bunten Farben und sonderbaren Formen, namentlich
Schlangen und Eidechsen; ferner zierliche kleine Laubfrösche
(Ixalus), deren merkwürdige, zum Theil glockenartige
Stimmen man Abends überall hört. Von
V ö g e l n zeigen sich
in den Gärten namentlich zahlreiche Staare und Krähen,
Bachstelzen und Bienenfresser, besonders aber niedliche, die Stelle der
Colibri's vertretende Honigvögel (Nectarinia); ferner an den
Flußufern blaugrüne Eisvögel und weiße Reiher.
Von
S ä u g e t h i&n
bsp;e r e n ist weitaus das häufigste ein
allerliebstes Eichörnchen, das überall auf den Bäumen
und Sträuchern umherhuscht und sehr zahm und zutraulich ist,
braungrau mit drei weißen Längsstreifen auf dem
Rücken (Sciurus tristriatus).
Unter den
I n s e c t e n
überwiegen durch die ungeheuren Massen, in denen sie
überall auftreten, vor allen die Ameisen (von winzig kleinen bis zu
riesengroßen Arten), sodann die berüchtigten Termiten (oder
die sogenannten „weißen Ameisen"); aber auch andere
Hymenopteren (Wespen und Bienen) sind sehr reichlich vertreten,
desgleichen die Dipteren (Mücken und Fliegen). Hingegen zeigen
gerade diejenigen Insectenordnungen, welche die schönsten und
größten Formen enthalten, Käfer und Schmetterlinge,
nicht denjenigen Reichthum, welchen man der Flora entsprechend
erwarten sollte. Sehr vielgestaltig und merkwürdig sind
andrerseits wieder die Orthopteren (Heuschrecken, Grillen u. s. w.). Doch
ich will hier auf diese besondere Welt nicht eingehen, da ich
später darauf ausführlich zurückkomme.
Sehr interessante und merkwürdige Gliederthiere bietet die Classe
der Spinnen oder
A r a c h n i d e
n , von den winzigen kleinen Milben und Zecken
aufwärts bis zu den riesigen Vogelspinnen und Scorpionen. Auch
die nahe verwandten Tausendfüße oder
M y r i a p o d
e n sind sehr häufig und durch colossale, zum Theil
wegen ihres giftigen Bisses sehr gefürchtete Formen vertreten, bis
zu einem Fuß lang! Einige Prachtexemplare derselben sah ich gleich
am ersten Morgen im Garten von Whist-Bungalow; ich fand aber heute
noch keine Zeit, mich mit der Thierwelt näher zu befassen, da die
Pflanzenpracht mich allzusehr fesselte!
Wie gerne hätte ich dem wirklichen Studium dieser Flora,
für welches mir jetzt nur wenige Tage und Wochen zu Gebote
standen, Monate und Jahre gewidmet! Dazu strahlte heute die indische
Sonne in einem Glanze von dem wolkenlosen tiefblauen Himmel herab,
daß die Licht- und Farbenfülle meinen armen nordischen
Augen fast zu viel wurde; und die Hitze würde bald fast
unerträglich geworden sein, hätte sie nicht eine sanfte
kühle Brise vom Meere etwas gelindert. Es war der 22. November,
der Geburtstag meines lieben theuren Vaters, der vor 10 Jahren im
Alter von 90 Jahren gestorben war. Er würde heute gerade seinen
hundertsten Geburtstag gefeiert haben, und ich von ihm die
beglückende Freude an der Natur (und ganz besonders an
schönen Bäumen) geerbt habe, so kam eine besonders
festliche Feiertagsstimmung über mich und ich betrachtete den
ungewöhnlich hohen und reichen Genuß dieser
köstlichen Stunden als ein besonderes Geschenk für diesen
Festtag!
Naturgenüsse wie diese haben wor allen Kunst- und sonstigen
Genüssen des Lebens den unschätzbaren Vorzug, daß
sie nie ermüden und daß ein dafür empfängliches
Gemüth sich ihnen immer wieder mit erneuter Theilnahme und
mit erhöhtem Verständnisse zuwendet, und zwar um so
mehr, je älter man wird! So kam es denn, daß der
Morgenspaziergang in dem Paradiesgarten von Whist-Bungalow und in
dessen nächster Umgebung, bald am Flußufer, bald am
Meeresstrande, sich an allen folgenden Tagen, die mir mein Glück
hier beschied, wiederholte, und daß ich noch am letzten Morgen auf
Ceylon, am 10 März 1882, mit dem Gefühle des „verlorenen
Paradieses" von ihm Abschied nahm!
Vielfache Bereicherungen erfuhren übrigens meine botanischen
Kenntnisse noch in den nächsten Tagen, als mehrere Besuche bei
Engländern, an die ich empfohlen war, mich in verschiedene
Gärten der südlichen Villenvorstädte von Colombo,
Kolpetty und Slave-Island führten. In ganz besonders angenehmer
Erinnerung sind mir da einige Tage geblieben, die ich in der
V i l l a
d e r
T e m p e l b ä&
nbsp;u m e („Temple-Trees") verlebte; so heißen
hier die Plumierabäume, weil ihre großen prachtvoll
duftenden Blüthen nebst denjenigen des Jasmin und Oleander
allenthalben in den Buddhatempeln von den Singhalesen als
Opferblumen vor die Buddhabilder gestreut werden. Zwei alte
Prachtexemplare dieser Tempelbäume standen nebst eingen
riesigen Casuarinen auf dem weiten Rasenplatze, welcher die stattliche
nach ihnen benannte Villa von der Gallastraße in Kolpetty trennt.
Der Eigenthümer derselben, Mr.
S t a n i f o r t&
nbsp;h G r e e n , hatte
mich auf das Freundlichste eingeladen, einige Tage bei ihm zuzubringen.
Ich lernte in ihm einen liebenswürdigen alten Herrn kennen,
dessen ganzes Herzensinteresse sich der Naturbetrachtung zuwendet.
Alle Stunden, welche die Bewirtschaftung seiner großen
Kaffeemühlem ihm frei läßt, verwendet er auf die
Cultur seines reizenden Gartens und auf das Sammeln und Beobachten
von Insecten und Pflanzen. Mit der innigen liebevollen Sorgfalt, welche
die alten Naturforscher des vorigen Jahrhunderts charakterisirt, welche
aber unter den jüngeren „strebsamen" Naturforschern der
Gegenwart immer seltener wird, hatte sich Mr. Green insbesondere
jahrelang mit der Lebensweise und Entwickelung der kleinsten
Insectenformen geschäftigt und hier eine Anzahl hübscher
Entdeckungen gemacht, die zum Theil in englischen Zeitschriften
publicirt sind. Er zeigte mir eine große Anzahl sorgfältigst
gesammelter Seltenheiten und machte mir einige der interessantesten
zum Geschenk. Auch sein Neffe, der ihn im Geschäfte
unterstützt, theilt in den Mußestunden diese Liebhabereien
und zeigte mir eine sehr hübsche Insectensammlung. Ich erhielt
unter Anderem von ihm mehrere Exemplare der riesigen Vogelspinne
(Mygale), deren Jagd auf kleine Vögel (Nectarinia)
und kleine Zimmereidechsen (Platydactylus) er selbst mehrfach
beobachtet hatte.
Der Garten des Mr. Green, der namentlich einige alte Prachtexemplare
der Flammen-Acazien oder Flamboyants (Caesalpinia), sowie
schöne Lilienbäume (Yucca) und Kletterpalmen
(Calamus) enthält, stößt östlich an eine
reizende Bucht der großen Lagune, welche sich zwischen Kolpetty,
Slave-Island und dem Fort ausbreitet. An einem schönen Abend
ruderten wir hier im Kahne über die mit prachtvollen weißen
und rothen Wasserlilien bedeckte Spiegelfläche nach der Villa von
Mr. William Ferguson hinüber. Auch dieser liebenswürdige
alte Herr (- der seit vielen Jahrzehnten das Amt eines Wegebau-
Inspectors versieht -) widmet seine Mußestunden zoologischen und
botanischen Forschungen und hat diese Gebiete mit manchen
werthvollen Beiträgen bereichert. Ich verdanke ihm ebenfalls
viele interessante Mittheilungen. Er ist nicht zu verwechseln mit seinem
gar sehr verschiedenen Bruder, dem sogenannten „Ceylon-
Commissioner", der Herausgeber und Redacteur der
einflußreichsten Zeitung der Insel, dem „Ceylon-Observer". Dieses
Blatt wird von ihm in jenem Geiste strenger, finsterer Orthodoxie und
kastenmäßiger Observanz redigirt, welcher leider so vielen,
angeblich freisinnige, englische Zeitungen kennzeichnet. Gerade zur Zeit
meiner Anwesenheit war dasselbe mit heftigen Angriffen gegen der
verdientesten und kenntnißreichsten Juristen, dem District-Judge
Mr. Berwick, gefüllt, weil derselbe in einem Plaidoyer über
„Zurechnungsfähigkeit" die darwinistischen Grundsätze der
modernen Nachforschung { = Naturforschung? } anerkannt und in
geistreicher Weise angewendet hatte. Uebrigens hinderte seine
specifische Frömmigkeit den „Ceylon-Commisioner" nicht, in seiner
Art „Geschäfte zu machen" und z. B. die schlechte und fehlerhafte
Karte der Kaffeedistricte für 18 Rupien (= 36 Mark!) zu verkaufen.
An einem andern Tage führte mich Mr. Green in das
C o l o m b o -
M u s e u m , ein stattliches
zweistöckiges Gebäude, welches in Cinnamon-Gardens liegt
und für die Sammlung aller literarischen, historischen und
naturhistorischen Schätze der Insel bestimmt ist. Der untere Stock
enthält auf einer Seite die reiche Bibliothek, auf der andern die
Alterthümer (alte Inschriften, Sculpturen, Münzen,
ethnographische Sammlungen u. s. w.); im oberen Stocke findet sich eine
reiche Naturaliensammlung, vorzugsweise von getrockneten und
ausgestopften Thieren, ausschließlich Ceylonesen. Besonders reich
sind darin die Insecten vertreten, mit denen sich der (damals
abwesende) Director des Museums, Dr. Haly, speciell
beschäftigt; demnächst die Vögel und die Reptilien.
Dagegen bleibt in den meisten Abtheilungen der niederen Thiere die
Hauptsache noch zu thun übrig. Immerhin bietet das Colombo-
Museum auch jetzt schon eine sehr gute Uebersicht über die reiche
und eigenthümliche Fauna der Insel. Der Zoologe, der aus Europa
direct hierher kommt, wird freilich den Zustand eines großen Theils
der Sammlung ziemlich unbefriedigend finden; die ausgestopften und
getrockneten Sachen sind vielfach schlecht präparirt,
verschimmelt, zerfallen u. s. w. Tadeln wird das aber nur der Neuling,
dem die außerordentlichen Schwierigkeiten unbekannt sind, mit
denen die Entstehung und Existenz jeder derartigen Sammlung in dem
feuchtheißen Treibhaus-Klima von Ceylon zu kämpfen hat.
Ich sollte bald selbst in dieser Beziehung die bittersten Erfahrungen
machen.
Ebenso wie alles Lederzeug und Papier hier in kürzester Zeit
vermodert und zerfällt, wie alle Eisen und Stahlsachen trotz
sorgfäligster Vorsich sich mit Rost bedecken, ebenso unterliegen
auch alle Chitinkörper der Insecten, alle Bälge von
Wirbelthieren früher oder später dem vereinten Einflusse
einer beständigen Hitze von 20o-25o R.
und einer Feuchtigkeit der Luft, die alle unsere europäischen
Begriffe übersteigt. Noch schlimmer aber wirken in vielen
Fällen die vereinten Angriffe von Milliarden verschiedener
Insecten: schwarze und rothe Ameisen (theils 2-3 mal so groß wie
bei uns, theils eben so groß, zum Theil aber auch fast
mikroskopisch klein); weiße Ameisen oder Termiten (die
schlimmsten von allen Feinden) - riesengroße Schaben oder
Kakerlaken (Blatta), Papierläuse (Psocus),
Museumskäfer und dergleichen Gesindel mehr, wetteifern in der
Zerstörung der Sammlungen. gegen die unaufhörlichen
Angriffe dieser zahllosen und unvermeidlichen kleinen Feinde sich zu
schützen, ist in Ceylon theils sehr schwierig, theils ganz
unmöglich; ich selbst verlor durch sie (trotz aller Vorsicht) einen
großen theil meiner getrockneten Sammlungen.
In welcher Weise die tropische Hitze - nur 7 Breitengrade vom Aequator
entfernt - im Verein mit dem höchsten Grade derLuftfeuchtigkeit,
auf unsere europäischen Culturproducte, eben so wie auf die
einheimischen Naturproducte von Ceylon einwirkt, davon kann man sich
bei uns zu Hause gar keine Begriffe machen. Nachdem die ersten
herrlichen Tage in Whist-Bungalow mit Schauen und Staunen
vorüber waren, fing ich an, meine tausend Siebensachen und
Instrumente aus Koffern und Kisten auszukramen und in welchem
Zustande fand ich da Vieles! An allen wissenschaftlichen Instrumenten,
welche Stahl- oder Eisentheile enthielten, waren diese verrostet; keine
Schraube ging mehr glatt. Alle Bücher und Papiersachen waren
gleich allen Ledersachen feucht und mit Schimmel bedeckt; und was
mich ganz besonders rührte, der berühmte „schwarze Frack"
- welcher in der englischen Gesellschaft hier wie daheim in Europa eine
so große Rolle spielt, war, als ich ihn aus dem Koffer nahm,
weiß geworden! er war gleich allen anderen Tuchkleidern
über und über mit den zierlichsten Schimmelbildungen
bedeckt, die erst nach mehrtägigem Trocknen an der Sonne sich
verloren! Daher ist es in allen europäischen Häusern von
Colombo Aufgabe eines besonderen „Kleider-Boy", täglich Kleider,
Bettern, Wäsche, Papier u. s. w. an der Sonne zu trocknen und vor
dem Verschimmeln zu bewahren!
Viel schlimmer war es, daß meine neue photographische Camera
obscura, die von einer der ersten Berliner Firmen aus angeblich
„völlig trocknem Holze" gefertigt war, sich beim Auspacken als
unbrauchbar erwies, weil alle Holztheile derselben verzogen waren.
Auch die Deckel der mitgebrachten Holzkästen hatten sich fast alle
geworfen. Die leeren Briefcouverts waren sämmtlich zugeklebt.
Mehrere Schachteln mit pulverisirtem Gummi-Arabicum enthielten eine
feste cementartige Masse; während in anderen Schachteln mit
Pfeffermünzküchelchen beim ersten Oeffnen ein
süßer Syrup umherfloß! Noch überraschender war
das Oeffnen der mitgebrachten Brausepulver-Schachteln. In allen blauen
Papierchen war die Weinsteinsäure verschwunden, und in alen
weißen fand sich statt des kohlensauren nur noch weinsteinsaures
Natron; erste hatte sich aufgelöst, war in letzteres eingedrungen
und hatte die Kohlensäure ausgetrieben! Und so waren schon beim
Auspacken durch den Einfluß der feuchten Hitze eine Menge
Sachen verdorben, an deren Verderben man bei uns gar nicht denkt!
Dabei fielen die vier Monate, welche ich auf Ceylon zubrachte, in die
sogenannte
„ t r o c k n e
Jahreszeit" des Nordost-Monsun, der vom November bis April weht! Wie
muß es demnach hier erst in der
„ n a s s e n Jahreszeit"
aussehen, wo vom Mai bis Oktober der regenschwangere Südwest-
Monsun wüthet! Meine Freunde versicherten mir, daß man
dann überhaupt darauf verzichte, irgend etwas trocken zu
erhalten, und daß das Wasser geradezu an den Wänden
herablaufe!
Das ein solches Treibhaus-Klima, welches von unserem mittel-
europäischen so gänzlich verschieden ist, auf den an
letzteres gewöhnten menschlichen Organismus auch eine ganz
verschiedene Wirkung ausüben muß, erscheint
selbstverständlich; - und ebenso, daß der Kampf mit diesem
feindlichen Klima das alltägliche Gesprächsthema
überall und jederzeit bildet. Ich muß daher gestehen,
daß ich einigermaßen besorgt war, wie ich mich demselben
wohl anpassen würde. In den ersten Wochen in Colombo empfand
ich die Leiden und Beschwerden, die damit unzertrennlich
verknüpft sind, ziemlich stark, besonders in den heißen
Nächten, in denen die Temperatur selten unter 20 R.
(nicht unter 18) sank, während sie bei Tage im Schatten oft auf
24-28o stieg. Allein die zweite Woche war schon leichter zu
ertragen als die erste; und später (namentlich an der
Südküste, nahe dem fünften Grad S. Br.) habe ich
niemals so viel gelitten, wie in den ersten schlaflosen Nächten und
erschlaffenden Tagen in Colombo.
Unentbehrlich sind unter diesen Umständen natürlich die
täglichen Bäder, die für alle Eingeborenen wie
für alle Europäer die beste Erquickung des Tages sind. Ich
nahm deren gewöhnlich zwei, eins gleich nach dem Aufstehen (um
6 Uhr) und ein zweites vor dem sogenannten Frühstück
(eigentlich dem Mittagessen) um 11 Uhr. Im Süden genoß ich
dann meistens noch ein drittes Bad am Abend, vor dem „Dinner" (um 7
oder 7 1/2 Uhr). Außerdem nahm ich natürlich alsbald die
landesübliche Kleidung der Europäer an, aus weißen,
ganz leichten Baumwollenstoffen bestehend; sehr angenehm trugen sich
netzförmige Unterhemdchen unter der leichten Jacke.
Aeußerst werthvoll aber fand ich als beständige
Kopfbedeckung einen sogenannten Calcutta-Hut oder „Sola-Hut", den ich
mir schon in Port-Said für nur 3 Francs (!) gekauft hatte. Diese
unvergleichlichen Hüte werden aus dem äußerst
leichten, aber festen (hollunder-ähnlichen) Marke der Sola-Pflanze
gefertigt und bestehen aus einer gewölbten doppelten Kuppel, die
auf einer sehr breiten (Nacken und Hals völlig schützenden)
Krempe ruht. Letztere ist mit einem festen Ring von Wachsleinwand
verbunden, welcher allein dem Kopf unmittalbar aufsitzt. Die Luft
streicht frei zwischen den Scheibchen hindurch und so bleibt die
Tempartur im Hute stets kühl.
Unter Anwendung dieser und anderer Vorsichtsmaßregeln befand
ich mich während der ganzen Zeit meines Aufenthalts auf Ceylon
sehr wohl, trotzdem (- oder vielleicht auch weil -) ich mir sehr viel
Bewegung machte und selbst in der heißen Mittagszeit meistens im
Freien war. Allerdings lebte ich aber viel mäßiger und
einfacher, als hier zu Lande üblich ist, und nahm nicht die
Hälfte der Quantität von Speisen und Getränken zu
mir, welche die meisten Engländer hier für unentbehrlich
halten. Wenn diese nach einigen Jahren Aufenthalt meistens über
Magen- und Leberleiden klagen, so glaube ich, liegt die Schuld viel
weniger am heißen Klima, als vielmehr einerseits am Mangel der
nöthigen Leibesbewegung, andererseits an der
übermäßigen Luxus-Consumption; sie essen und
trinken oft 2-3 mal so viel, als zum gesunden Leben nöthig ist -
und schwere fette Speisen, heiße spirituöse Getränke.
Sie bilden in dieser Beziehung den größten Contrast zu der
überaus einfachen Lebensweise der Eingeborenen, die meistens
bloß Reis und Curry, und dazu höchstens einige Früchte
essen, während ihr Getränk einfaches Wasser oder etwas
Palmenwein ist.
In Ceylon, wie wohl in den meisten Theilen von Indien, ist die
tägliche Eintheilung der Mahlzeiten der Europäer folgende:
Morgens, gleich nach dem Aufstehen Thee und Bisquits, Brot mit Eiern
oder Marmelade, Bananen, Mangos, Ananas und andere Früchte.
Um 10 Uhr folgt das sogenannte „Frühstück"
(Breakfast), nach unseren Begriffen ein ganz completes Diner von
3-4 Gängen: Fisch, gebratenes Huhn, Beefsteak, namentlich aber
das indisch-nationale „Reis mit Curry", der nie fehlen darf. Dieser Curry
wird in der mannigfaltigsten Weise aus verschiedenen Gewürzen
mit Stückchen von Gemüsen oder Fleisch zu einer pikanten
Sauce verarbeitet. Als dritte Mahlzeit folgt um 1 Uhr das sogenannte
„Tiffin", Thee oder Bier mit kaltem Fleisch, Butterbrot und Conserven.
Viele nehmen dann um 3 oder 4 Uhr noch einmal Thee oder Kaffee.
Endlich kommt um 7 1/2 oder 8 Uhr die Hauptmahlzeit, das sogenannte
„Dinner", welches aus 4-6 Gängen besteht, gleich einem opulenten
Diner in Europa: Suppe, Fisch, mehrere Fleischspeisen, nochmals Curry
und Reis, dann mehrere suße Mehlspeisen, Früchte u. s. w.
Dazu werden gewöhnlich mehrere verschiedene Weise getrunken
(Sherry, Claret, Champagner) oder auch stark spirituöses, aus
England importiertes Bier; neuerdings auch weit besseres und leichteres
Wiener Bier. In vielen Häusers fällt ein oder der andere
Theil dieser üppigen Mahrzeiten hinweg. Im Allgemeinen aber
muß die Lebensweise in Indien als eine viel zu üppige und
fette bezeichnet werden, besonders wenn man si emit der einfachen und
frugalen Diät im südlichen Europa vregleicht. Dies ist auch
die Ansicht von einzelnen alten Engländern, die ausnahmsweise
eine viel einfachere Lebensweise führen und sich daher trotz eines
ununterbrochenen Aufenthaltes von 20-30 oder mehr Jahren in den
Tropen ihre ungebrochene Gesundheit bewahrt haben; wie z. B. Dr.
Thwaites, der treffliche frühere Director des botanischen Gartens
von Peradenia.
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