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Kapitel IV]
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Inhaltsverzeichnis][
Kapitel VI]
Kapitel V
Kaduwella
Die Fülle von neuen, herrlichen und großartigen
Eindrücken, welche die erste Woche meines Aufenthaltes auf
Ceylon mir brachte, wurde gekrönt durch eine reizende Excursion,
welche meine Freunde am 27. November nach Kaduwella veranstalteten.
Es war mein erster Sonntag auf der Insel, und obgleich die
mannigfaltigen Naturgenüsse der vorhergegangenen Wochentage
mir jeden derselben als einen Festtag erscheinen ließen, so wurde
doch meine festliche Stimmung durch die Erlebnisse dieses ersten
Feiertages noch ganz besonders gesteigert. Der Ausflug nach Kaduwella
war zugleich die erstere größere Excursion in die weitere
Umgebung von Colombo, und da die Scenerie, die ich hier zum ersten
Male sah, sich in wesentlich gleich bleibendem Charakter im
größten Theile des Flachlandes der Südwestküste
wiederholt, so will ich gleich hier dieselbe kurz zu schildern versuchen.
Kaduwella ist ein singhalesisches Dorf, welches am linken
(südlichen) Ufer des Kelanyflusses liegt, zehn englische Meilen von
Whist-Bungalow entfernt. Der schöne Fahrweg (der sich weiterhin
nach Awisawella und bis zum Fort Ruanwella fortsetzt), führt bald
unmittelbar an dem waldigen Flußufer hin, bald nur in geringer
Entfernung von demselben, die mannigfaltigen Biegungen des Flusses
abschneidend. Gleich allen Fahrwegen auf der Insel, welche viel benutzt
werden, befindet sich auch dieser in ausgezeichnetem Zustande; und ist
doppelt anzuerkennen, da die heftigen und häufigen
Regengüsse beständig viel Erde wegschwemmen und die
gute Instandhaltung der Wege erschweren. Die englische Regierung
betrachtet aber hier, wie in allen Colonien, die Einrichtung und Erhaltung
guter Communicationsmittel mit Recht als eine ihrer ersten und
wichtigsten Aufgaben; und es spricht für ihr unvergleichliches
Colonisationstalent, daß sie keine Mühe und keine Kosten
scheut, um dieser Anforderung, selbst den schwierigsten Hindernissen
der Terrainformation und des Tropenklimas gegenüber, gerecht zu
werden.
Meine Gastfreunde von Whist-Bungalow und einige andere deutsche
Landsleute, welche damals in dem benachbarten schönen (auch
von Sir Emmerson Tennent lange Zeit inne gehabten) Eliehaus wohnten,
hatte alle Vorbereitungen getroffen, um unsere Excursion auch in
gastronomischer Beziehung möglichst angenehm zu gestalten. Alle
festen und flüssigen Körper, welche für ein opulentes
Gabelfrühstück erforderlich sind, sowie unsere Jagdgewehre
mit Munition, Gläser und Blechbüchsen zum Sammeln etc.
waren in dem kleinen, offenen, einspännigen Kaleschen verpackt,
die hier fast jeder Europäer besitzt und die gewöhnlich von
einem munteren Pony birmanischer Abkunft oder auch von einem
stärkeren Pferde australischer Rasse gezogen werden; fast alle
Reit- und Kutschpferde der Insel werden vom indischen Festlande oder
von Australien eingeführt, da die Pferdezucht auf Ceylon selbst
nicht gedeiht, europäische Pferde aber das Klima sehr schlecht
vertragen und bald unbrauchbar werden. Die kleinen Ponies von Birma
laufen vortrefflich, wenn sie auch nicht lange aushalten; mit zehn
englischen Meilen (2-3 Fahrstunden) ist ihre Leistungsfähigkeit in
der Regel erschöpft. Die Kutscher sind gewöhnlich schwarze
Tamils (Malabaren), in weiße Jacken gekleidet, mit rothem Turban;
sie laufen mit erstaunlicher Ausdauer hinter dem Wegen her oder
stehen nur zeitweise auf dessen Trittbrett; sie müssen
beständig laut ausrufen, da sowohl die Singhalesen (besonders die
alten Leute) als auch ihre Ochsen und Hunde eine ausgeprägte
Neigung besitzen, den rasch fahrenden Wagen nicht aus dem Wege zu
gehen und sich überfahren zu lassen.
Schon vor Sonnenaufgang verließen wir Whist-Bungalow und
rollten durch die letzten Häuser der Vorstadt Mutwal und den
darauf folgenden Grandpaß in das lachende, grüne
Gartenland hinaus, welches sich abwechselnd mit Buschwald (Djungle),
Reisfeldern und parkartigem Wiesenland meilenweit bis gegen den
Fuß des Gebirges hinzieht. Die Vorstädte von Colombo, wie
von allen Städten der Insel, gehen unmerklich in langgestreckte,
oft stundenlange Dörfer über, und da in diesen die einzelnen
Hütten der Eingebornen meist durch weite Zwischenräume
getrennt sind, jede von einem zugehörigen Stück Garten-,
Feld- oder Waldland umgeben, so sind die Grenzen der Dörfer oft
schwer oder nur ganz künstlich zu ziehen. In dem dicht
bevölkertung und gut cultivirten südwestlichen Theile des
flachen Küstenlandes existirt sogar nirgends eine
größere Unterbrechung, und man kann sagen, daß die
ganze lange Küstenstrecke von Colombo bis Matura, bis zur
Südspitze, von einem einzigen weitläufigen großen
Dorfe mit indischen Hütten und Fruchtgärten, Djungeln und
Cocoswald, eingenommen wird. Ueberall kehren in diesem
paradiesischen Dorfgarten dieselben landschaftlichen Elemente wieder:
niedrige braune Erdhütten, beschattet von Brotfrucht- und
Mangobäumen, von Cocos- und Arecapalmen, und umkränzt
von Pisanggebüschen; verziert mit den Riesenblättern der
Caladien und Ricinus, den zierlichen Papayabäumen,
Manihotstauden und anderen Nutzpflanzen. Auf Bänken vor den
offenen Hütten liegen die faulen Singhalesen in süßem
Nichtsthum ausgestreckt und betrachten sich ihre ewig grüne
Umgebung, oder beschäftigen sich mit Ablesen kleiner
weißer Insecten von ihren langen schwarzen Haaren. Nackte Kinder
spielen überall am Wege oder haschen nach den bunten
Schmetterlingen und Eidechsen, die denselben beleben. Zu gewissen
Tageszeiten begegnet man auf den vielbefahrenen Wegen zahlreichen
Ochsenkarren, kleinere einspännigen und größere
zweispännigen; sie bilden das wichtigste - ja fast das einzige -
Transport- und Communicationsmittel der Eingebornen. Die Ochsen
gehören alle zu der Art des Zebu oder indischen Buckelochsen
(Bos indicus), ausgezeichnet durch den Höcker hinten auf
dem Nacken. Der Zebu tritt aber, ähnlich wie unser
europäisches Rind, in vielen verschiedenen Rassen auf; eine kleine
Rasse läuft recht schnell und flink. Pferde gebrauchen die
Eingebornen nur selten und Esel fehlen auf Insel ganz. Dagegen sind
allenthalben vor den Hütten Hunde („Pariah-Dogs" genannt) zu
finden, alle von derselben Rasse, häßliche und struppige
braungelbe Tiere, welche durch Form, Farbe und Benehmen ihre
Abstammung vom wilden Schakal zu verrathen scheinen. Ueberall sind
ferner die kleinen schwarzen Schweine (Sus indicus), daneben oft
auch hochbeinige magere Ziegen, seltener Schafe anzutreffen; stets
findet man vor den Häusern viele Hühner, seltener Enten
und Gänse. Das sind die einfachen und stets wiederkehrenden
Elemente, aus welchen sich die Dorfscenerie von Südwest-Ceylon
zusammensetzt. Aber diese Elemente finden sich in so reizender
malerischer Unordnung und in so unendlicher individueller
Abwechselung vor; sie sind so wundervoll vom Glanze der tropischen
Sonne beleuchtet und gefärbt; und der nahe Meeresstrand oder
das Flußufer verleiht ihnen so viel frischen Reiz, der waldige
Hintergrund, oder auch darüber noch das blaue Gebirgsland der
Ferne so viel Poesie, daß man nicht müde wird, sich daran zu
ergötzen, und daß sowohl der Landschafts- als der
Genremaler hier eine unendliche Fülle der schönsten Motive
finden würde - Motive, die auf unseren
Gemäldeausstellungen der Gegenwart fast noch unbekannt sind.
Von ganz besonders schöner Wirkung ist in dieser ceylonesichen
Niederlandschaft die Mittelstellung, welche sie zwischen Garten- und
Waldlandschaft, zwischen Cultur und Natur einnimmt. Oft glaubt man
mitten im schönsten wilden Walde zu sein, rings umgeben von
hohen prächtigen Bäumen, die mit Schlingpflanzen behangen
und überwuchert sind. Aber eine Hütte, die ganz im Schatten
eines Brotfruchtbaumes versteckt ist, ein Hund oder ein Schwein, das
aus dem Gebüsch hervorkomt, spielende Kinder, die unter
Caladiumblättern sich verbergen, belehren uns, daß wir nur
in einem ceylonesischen Garten uns befinden. Und umgekehrt bietet der
wirkliche Wald, der an letzteren anstößt, mit seiner
mannigfaltigen Zusammensetzung aus den verschiedensten tropischen
Bäumen, mit den Orchideen, Gewürznelken, Lilien,
Malvaceen und anderen prächtigen Blüthenpflanzen, soviel
Abwechslung, daß wir in einem schönen Baumgarten zu sein
glauben. Diese eigenthümliche Harmonie zwischen Natur und
Cultur spricht sich auch in der menschlichen Staffage dieser
Waldgärten aus; denn die Einfachheit der Kleidung und Wohnung
der Singhalesen in denselben ist so groß, daß sie
großentheils den bekannten Beschreibungen von echten „Wilden"
entsprechen, obwohl sie einem alten Culturvolk entstammen.
Doppelt anziehend und malerisch erscheint das Alles in der kühlen
Morgenfrühe, wenn die Strahlen der Sonne noch unter kleinen
Winkeln in das Baumwerk fallen, lange Schatten der schlanken
Stämmer werfen und in den gefiederten Kronen der Palmen, auf
den zerspaltenen Riesenblättern des Pisang mit tausend
glänzenden Lichtern spielen. Während meiner Anwesenheit,
zur Zeit des Nordost-Monsun, waren die klaren Morgenstunden bei
wolkenlosem Himmel und kühlender Seebrise fast immer
köstlich frisch und glanzvoll, wenn auch das Thermometer meist
nicht unter 20o R., selten bis 18o sank; erst
zwischen 9 und 10 Uhr begann die Hitze drückend zu werden und
sammelten sich die Wolken, die dann meistens nachmittags in einem
heftigen Regen sich entluden. War dieser um 4 oder 5 Uhr
vorüber, so erschienen dann wieder die letzten Abendstunden
doppelt herrlich und erquickend, um so mehr, als gewöhnlich die
sinkende Sonne das westliche Firmament mit einem Glanze vergoldete
und die Abendwolken mit einer Farbengluth übergoß, die
jeder Beschreibung spotten. Jedoch war gerade in diesem Jahre die
Witterung keineswegs so regelmäßig wie gewöhnlich
und bot vielfach Abweichungen von der Norm. Im Ganzen blieb meine
Reise vom Wetter sehr begünstigt und nur an wenigen Tagen
vereitelte anhaltender, schon früh beginnender Regen die
Tagesordnung der Arbeit oder der Excursion, die ich mir vorgesetzt
hatte.
Nach einer zweistündigen, sehr unterhaltenden Fahrt langten wir
in dem Dorfe Kaduwella an, welches an einer starken Biegung des
Kelanyflusses sehr malerisch gelegen ist. Ganz besonders hübsch
präsentirt sich auf einem erhöhten Vorsprung am Flusse,
unter dem Schatten der schönsten Bäume, das Rasthaus, in
dem wir abstiegen und ausspannten. „Rasthäuser" oder
„ R e s t h ä u s&
nbsp;e r " (Rest-houses) nennt man in Ceylon, wie in
Indien, die Häuser, welche die Regierung hat errichten lassen und
welche unter ihrer Aufsicht stehen. In ganz Ceylon existiren nur in drei
Städten Hotels, in Colombo, Galla und Kandy. Der Eingeborne
bedarf solcher nicht. Der europäische Reisende ist daher entweder
ganz auf die Gastfreundschaft europäischer Ansiedler (wo solche
vorhanden sind!) oder auf die Regierungs-Rasthäuser angewiesen,
und letztere erfüllen in der That eins der größten
Bedürfnisse. Der Wirth derselben, der von der Regierung
angestellte und beaufsichtigte „Resthous-Keeper" ist verpflichtet,
dem Reisenden gegen einen geringe (an die Regierung auszuzahlende)
Entschädigung ein Zimmer mit Bett (meistens für eine Rupie
= zwei Mark) zu überlassen, sowie auch auf Verlangen die
nöthigsten Nahrungsmittel zu liefern. Preise und Qualität der
letzern sind sehr verschieden; ebensowie auch die Beschaffenheit der
Rasthäuser selbst. In dem südwestlichen Theile der Insel, wo
ich hauptsächlich reiste, fand ich sie im Allgemeinen gut und
preiswürdig, so namentlich in Belligemma, wo ich später
für sechs Wochen im Rasthause mein Laboratorium aufschlug.
Dagegen sind die Rasthäuser in einem großen Theile des
Innern, und namentlich im Norden und Osten der Insel, meistens
schlecht und sehr theuer; in Newera Ellya mußte ich z. B.
später für jedes Hühnerei einen halben, für jede
Tasse Thee einen ganzen Schilling (=1 Mark) zahlen! Das Rasthaus von
Kaduwella, das erste, welches ich sah und benutzte, gehörte zu den
bescheideneren und kleineren, und wir unsern sämmtlichen
Proviant mitgebracht hatten, lieferte es uns nur Stühle zum Sitzen,
Wasser und Feuer zum Kochen, und in seiner offenen luftigen Veranda
ein angenehmes Schutzdach gegen Sonne und Regen; auch dafür
wird nach der Taxe bezahlt. (Umsonst ist in Indien nur der Tod!)
Wir brachen gleich nach unserer Ankunft mit unseren Gewehren auf,
um die herrlichen Morgenstunden möglichst auszunutzen.
Südlich an den Kelany-Ganga stößt gleich hinter dem
Dorfe ein wellenförmiges Hügelland, über welches sich
die Jagdgesellschaft zerstreite. Die tiefer gelegenen Theilse desselben
sind mit Graswiesen und Reisfeldern bedeckt, vielfach von
Wassergräben und Canälen durchschnitten und mit kleinen
Seen geschmückt, inn welche letztere münden. Die
höheren Theile hingegen, meistens sanft gewölbte
Hügel von 100-300 Fuß Höhe, sind mit dichtem
Buschwald oder dem hier allgemein so genannten
„ D j u n g l e "
bewachsen. Ich lernte hier zuerst diese charakteristische Form der
Landschaft kennen, die auf der ganzen Insel, soweit sie nicht cultivirt
ist, eine große Rolle spielt. Das Djungle ist zwar nicht eigentlicher
„ U r w a l d ", d. h. uralter,
nie vom Menschen betretener Wald (solcher existirt in Ceylon nur noch
an sehr wenigen Stellen und in sehr geringer Ausdehnung); allein es
entspricht doch unserer Vorstellung von demselben insofern, als es, bei
hoher Entwicklung, eine Waldform darstellt, die aus einem dichten und
undurchdringlichen Geflecht der verschiedensten Bäume besteht;
diese sind ohne alle Ordnung und frei von allem menschlichen
Einfluß emporgeschossen und dergestalt wild durcheinander
gewachsen, von den mannigfaltigsten Schling- und Kletterpflanzen
überwuchert und bedeckt, mit parasitischen Farnen, Orchideen
und anderen Schmarotzern überhäuft, ihre Lücken
dergestalt mit einem bunten Gewirre der verschiedensten anderen
Pflanzen ausgefüllt, daß es ganz unmöglich hält,
den dichten Knäuel zu entwirren und die einzelnen durcheinander
geflochtenen Gestalten von einander abzulösen.
Das ein solches Djungle, gut ausgebildet, ohne Axt und Feuer wirklich
undurchdringlich ist, davon überzeugte ich mich schon beim
ersten Versuche, in dasselbe einzudringen. Eine gute Stunde hatte ich
gebraucht, um mich nur wenige Schritte in das Dickicht hinein zu
arbeiten; dann aber stand ich völlig entmuthigt von weiteren
Versuchen ab; zerstochen vn Moskitos, zerbissen von Ameisen, mit
zerrissenen Kleidern, blutenden Armen und Beinen, verwundet von
tausend Stacheln und Dornen, mit denen die Kletterpalmen
(Calamus), und die Klettermalven (Hibiscus), die
Euphorbien, Lantanen und eine Menge anderer Djungelpflanzen jeden
Versuche abwehren, in ihr geheimnisvolles Labyrinth einzudringen.
Aber umsonst war dieser Versuch doch nicht, denn ich lernte bei dieser
Gelegenheit nicht allein den Charakter des Djungle im Ganzen, und
besonders die Pracht seiner Bäume und Lianen kennen, sondern
ich sah auch viele einzelne Pflanzengestalten und Thierformen, die
für mich von höchstem Interesse waren; ich die
prächtige Gloriosa superba, die giftige Kletterlilie von Ceylon
mit ihrer goldrothen Krone; den stacheligen Hibiscus radiatus mit
großen schwefelgelben, im Grunde violetten Blumenkelchen;
umflattert von riesigen schwarzen Schmetterlingen mit blutrothen
Flecken auf ihren schwanzförmigen Flügelanhängen,
von metallglänzenden Prachtkäfern u. s. w. Was micht aber
am meisten freute, ich stieß hier gleich im ersten Djungle, das ich
auf Ceylon betrat, auf die beiden meist charakteristischen Bewohner
desselben aus den beiden höchsten Thierclassen, auf Papageien
und Affen. Ein Schwarm grüner Papageien flog kreischend von
einem hohen, weit über das Djungle vorragenden Baume auf, als er
meiner Flinte ansichtig wurde; und ebenso sprang eine Heerde
großer schwarzer Affen unter knurrendem Geschrei eiligst in das
Dickicht; weder von jenen noch von diesen gelang es mir, einen zu
schießen; sie schienen die Wirkung des Feuergewehrs sehr gut zu
kennen. Ich tröstete mich aber damit, daß der erste
Schuß, den ich heute that, mir eine colossale, über sechs
Fuß lange Riesen-Eidechse lieferte, den merkwürdigen, von
den abergläubischen Eingeborenen sehr gefürchtete
H y d r o s a u&nbs
p;r u s
s a l v a t o r&nbs
p;. Das gewaltige, krokodilähnliche Thier sonnte sich auf dem
Rande eines nahen Wassergrabens und der erste Schuß traf so
glücklich in den Kopf, daß es augenblicklich verendete; trifft
der Schuß andere Körpertheile, so springen die
zählebigen Thiere gewöhnlich rasch in das Wasser und
verschwinden; mit ihrem mächtigen, hart gepanzerten und scharf
schneidenden Schwanze können sie sich so gut vertheidigen,
daß ein Schlag desselben bisweilen eine gefährliche Wunde
verursachen oder selbst ein Bein zerschmettern soll.
Nachdem wir mehrere Gräben durchwatet hatten, wanderten wir
durch lichtes Gehölz auf einem reizenden Pfade aufwärts zu
einem bewaldeten Hügel, der durch einen
B u d d h a -
T e m p e l berühmt
ist, den Gegenstand vieler Wallfahrten. Wir trafen dabei auf mehrere
Hüttengruppen, welche im dichten Waldesschatten unter den
säulengleichen Stämmen riesiger Bäume (Terminalien
und Sapinden) wie Kinderspiellzeuge aussahen. Weiterhin kamen wir
auf eine sonnigere Lichtung, in der bunte Schmetterlinge und
Vögel in großer Zahl umherflogen, besonders schöne
Spechte und Waldtauben. Endlich führte uns eine Treppe zwischen
Talipotpalmen aufwärts zu dem Tempel. Dieser liegt ungemein
malerisch mitten in hohem Walde, unter dem Schutze eines gewaltigen
Granitfelsens verborgen. Eine weite natürliche Grotte, die
wahrscheinlich künstlich erweitert ist, geht tief in die Unterseite
der überhängenden Felsmasse hinein. Die Säulenhalle
des Tempels (mit sechs Rundbogen an der Frontseite, frei an der
schmalen Giebelseite) ist so in die Grotte hineingebaut, daß der
nackte Felsen nicht allein die hintere Wand des Tempels bildet, sondern
auch das Material für die liegende, an letztere angelehnte
Colossalstatue des Buddha selbst. Die Figur des Gottes ist in allen
Buddhatempeln, welche ich auf Ceylon besucht habe, stereotyp dieselbe,
ebenso wie die monotone Wandmalerei, welche an den inneren
Tempelwänden Scenen aus seiner irdischen Lebensgeschichte
darstellt. Dieselbe erinnert in ihrer steifen Zeichnung und den einfachen
grellen (vorzugsweise gelben, braunen und rothen) Farben vielfach an
die altägyptischen Wandmalereien, obwohl si eim Einzelnen sehr
verschieden sind. Die liegende Colossalfigur des Buddha, die auf dem
rechten Arme ruht und in ein gelbes Gewand gekleidet ist, zeigt stets
den gleichen apathischen und indifferenten Ausdruck und erinnert an
das starre Lächeln der alten Aegineten-Statuen. Neben den
meisten Buddhatempeln findet sich eine sogenannte Dagoba, eine
glockenförmige Kuppel ohne Oefnnung, deren Inneres angeblich
stets eine Reliquie des Gottes einschließt. Ihre Größe ist
sehr verschieden, von der einer großen Kirchenglocke bis zum
Umfange der Peterskuppel in Rom. In der Nähe der Dagoba steht
gewöhnlich ein großer alter Bo-Gaha oder heiliger
Feigenbaum (Ficus religiosa). An vielen Orten von Ceylon
gehören diese „Buddhabäume" mit ihrem mächtigen
Stämmen, dem phantastisch verzweigten Wurzelwerk und der
colossalen Laubkrone zu den größten Zierden der malerischen
Tempelumgebung; ihre herzförmigen, zugespitzten, langgestielten
Blätter sind beständig in lispelnder Bewegung, gleich unserm
zitternden Espenlaube.
Eine Felsentreppe hinter dem Tempel führt auf die obere
Fläche des Felsens hinauf, von der man eine hübsche
Aussicht über das benachbarte waldige Hügelland und
weiterhin über die Ebene bis zum Flusse hat. Die nächste
Umgebung des Tempels ist mit schönen Palmen- und
Bananengruppen verziert, und hinter diesen bildet undurchdringliches
Waldickicht mit Lianengeflecht einen geheimnisvollen Hintergrund, der
Weihe des heiligen Ortes entsprechend. Vorn kauerte auf einem Felsen
an der Treppe als charakteristische Staffage ein alter, kahlköpfiger
Buddhapriester in gelbem Talar. Während ich eine Aquarell-Skizze
aufnahm, kletterte ein singhalesischer Knabe auf eine nahe Cocospalme
und holte mir einige goldgelbe Früchte derselben herab. Ich fand
das säuerlichsüße kühle Wasser in ihrem Innern,
die sogeannte „Cocosmilch", die ich hier zum ersten Male kostete, bei der
drückenden Mittagshitze außerordentlich erquickend.
Der Rückweg vom Felsentempel nach Kaduwella führte uns
durch einen anderen Theil des Waldes, der wieder eine Anzahl neuer
Insecten, Vögel und Pflanzen zeigte; unter Anderen den
berühmten Tiek-Baum (Tectonia grandis), sowie einige
Riesen-Exemplare der cactusförmigen Wolfsmilch (Euphorbia
antiquorum) mit nackten, blaugrünen prismatischen Aesten.
Der letzte Theil des Weges, durch sumpfige Wiesenflächen, war
tüchtig heiß, und nach der Rückkehr in das Rasthaus
war unser Erstes ein Schwimmbad im Flusse, eine herrliche Erquickung,
auf welche das nachfolgende fröhliche Frühstück
doppelt mundete. Am Nachmittage setzte ich mit Einigen aus der
Gesellschaft auf einer Fähre über den Fluß und machte
einen Streifzug in den Wald auf dem rechten (nördlichen) Ufer
desselben. Hier lernte ich wieder ein Anzahl anderer, mir bis dahin
unbekannter Pflanzenformen (namentlich Aroideen und Cannaceen)
kennen und bewunderte auf's Neue den außerordentlichen
Reichthum der Flora, der hier auf engem Raume ene Fülle ihrer
schönsten und mannigfaltigsten Producte vereint. An den Ufern
des Flusses selbst bilden herrliche Bambus-Gruppen, abwechselnd mit
Terminalien, Cedrelen und Mangroven, den vorwiegenden Waldbestand.
Ich schoß einige grüne Waldtauben und große
Eisvögel, doppelt so groß und so glänzend als unsere
einheimischen.
Spät am Abend kehrten wir reich beladen mit zoologischen,
botanischen und artistischen Schätzen nach Colombo zurück.
Ich habe nachher noch viele genußreiche Tage im Djungle und an
den Flußufern von Ceylon verlebt (und zum Theil an viel
schöneren als Kaduwella war). Wie aber so oft im Leben die
e r s t e n Eindrücke
von neuen und fremdartigen Gegenständen weitaus die tiefsten
und bleibendsten sind, und von späteren, stärkeren
derselben Art nicht verdunkel werden, so wird mir auch der erste Tag
im Djungle von Kaduwella immer unvergeßlich sein.
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Kurt Stübers online library of biological
books. © 2001, by Kurt
Stueber