"Ernst Haeckel - Embryonenbilder"

Vorbemerkung




Der Streit um Haeckels Embryonenbilder hat die ganze intellektuell interessierte Welt aufs lebhafteste bewegt und bewegt sie noch fortwährend. Mit Recht. Denn es handelt sich in diesem Streit - wenn man ihm auf den Grund geht - nicht um ein paar Urwirbel mehr oder weniger, nicht um ein paar schlecht kopierte oder rasch konstruierte Embryonenbilder; es handelt sich nicht allein um wissenschaftliche Dinge , sondern um Fragen der Weltanschauung und der Religion. Diese Fragen haben aber seit jeher - neben der Magenfrage - den Menschengeist aufs tiefste bewegt, und gerade in der Gegenwart scheinen sie mehr und mehr einer endgültigen Lösung entgegenzugehen, einer Lösung, die sich zusammenfassen läßt in dem einen Wort: M o n i s m u s   .

Kein Wunder, wenn die Gegner dieser Lösung, die Verteidiger des Alten und Hergebrachten, auch die scheinbar unbedeutendste Gelegenheit benutzen, um den Sieg des Neuen zu verhindern, der am Ende doch unvermeidlich ist. Bald da, bald dort brucht der Streit über einen vorgeblichen Streitfall los, bald über ein Moner, bald über die Kiemenfurchen des menschlichen Embryos. Der Tieferblickende weiß in jedem Fall, worum es sich im Grunde handelt.

So auch in dem Streit um Haeckels Embryonenbilder.

Es ist viel hin und her geschrieben worden in diesem Streit, und wie es gewöhnlich geschieht: in dem Hin und Her der Meinungen und Äußerungen gehen die klaren Linien des Streitfalls verloren, und wenige haben am Ende ein klares Urteil über Ursache, Verlauf und Endresultat. Unklarheit ist aber noch immer die günstigste Seelenverfassung für die Religion im bisherigen Sinn, die sich die interessierten Vertreter dieser Religion, jetzt wie immer, in bekannte Gewandtheit zunutze zu machen vortrefflich verstehen.

Auf den folgenden Blättern geben ich eine dokumentarische Darstellung des Streites um Haeckels Embryonenbilder, die als B e i t r a g   z u m   K a m p f   u m   d i e   W e l t a n s c h a u u n g   i n   d e r   G e g e n w a r t    wertvoll genug ist, im ganzen und einzelnen aufmerksam gelesen zu werden. In einem zusammenfassenden Schlußwort habe ich versucht, die prinzipielle Bedeutung und der E r g e b n i s   d e s   S t r e i t e s    klar herauszustellen.

Als wertvolle Beigabe ist dem Text, außer einigen Einzeldarstellungen von Wirbeltierembryonen, eine vollständige Serie von 25 Hisschen Embryonenbildern beigefügt, gleichsam eine Normaltafel menschlicher Embryonen, die zu jetzigen und künftigen Vergleichen dienen kann.

J e n a   , im April 1909.

Dr. Heinrich Schmidt





Titel..........................................................................................Embryonenbilder



zurück zum Inhaltsverzeichnis




Diese Seite ist Teil von Kurt Stübers online library
erstellt von Christoph Sommer am 20.01.2000