einem Fischerdorfe, welches reizend zwischen zwei Lavaströmen
eingeschlossen liegt. Der Weg führt längs der Küste hin und gewährt prachtvolle und sehr malerische Blicke in die
tiefen und schroffen Felsschluchten, welche die Seiten der Insel durchfurchen. Dazu herrliche Vegetationsansichten
in den Gärten und Feldern, welche die Wege säumen. Der rasche Abschied von der schönen Insel, auf deren seltene
Naturschönheiten wir schon so lüstern geworden waren, wurde uns doppelt schwer.
Villa Orotava, den 27. November 1866.
Obgleich ich seit 14 Tagen nicht zum Schreiben gekommen bin und ich Euch viel, viel von den bunten Erlebnissen dieser
beiden letzten Wochen zu berichten hätte, will ich Euch heute doch nur von dem gestrigen Tage erzählen, welcher mir
meinen ältesten und liebsten Reisetraum zur Erfüllun gebracht, nämlich die Ersteigung des Pik von Teneriffa. Seitdem
ich zum ersten Male aus Humboldts Schilderungen Teneriffa kennen gelernt, hatten sich mir die beiden Weltwunder
dieser merkwürdigen Insel, der uralte Drachenbaum und der merkwürdige Pik, so fest in meine wanderlustige Phantasie
eingeprägt, daß sie unter den außerordentlichen Naturschönheiten, welche Ziel meiner Reisepläne waren, in erster Linie
standen. Beide habe ich nun wirklich gesehen, was mich auf das höchste befriedigt hat. Den Pik hatten wir zwar auf
dieser Reise beständig im Sinn gehabt, glaubten jedoch bei der weit vorgerückten Jahreszeit auf seine Besteigung
verzichten zu müssen. Um so größer ist heut meine stolze Freude, trotz aller Schwierigkeiten dennoch die Spitze
erklommen zu haben.
Nachdem uns die preußische Fregatte Niobe, welche uns in 3 Tagen von Madeira nach Teneriffa geführt, am Donnerstag,
den 22. November, um 12 Uhr mittags in Santa Cruz, der Hauptstadt Teneriffas, ans Land gesetzt hatte, waren unsere
ersten Erkundigungen nach der Besteigung des Pik gerichtet. Die Antwort lautete sehr ungünstig. Ungewöhnlich viel
Schnee war bereits frühzeitig in diesem Jahr gefallen, wie wir denn schon beim ersten Anblick des Pik vom Meere aus
mit Schmerzen die weiße Schneekappe bemerkt hatten, die seinen Gipfel bis tief über die breite Schulter herab verdeckte.
Dennoch beschlossen wir, möglichst bald nach Orotava zu gehen, an die Südseite der Insel, wo wir nähere Erkundigungen
einziehen konnten. Wir blieben daher in santa Cruz nur einen Tag und fuhren am Samstag, den 24. November, auf der
schönen neuen Kunststraße in 6 Stunden nach Villa Orotava.
Morgens war das Wetter sehr schön. Um Mittag jedoch erhob sich ein orkanartiger Südsturm, welcher uns den Genuß
der herrlichen Nordküste, längs welcher wir von Santal bis Orotava fuhren, sehr verleidete. Dichte Staubwolken
verhüllten 2 Stunden lang die schroffe, gewaltige Bergkette, welche den Fuß des Pik umgab, und nötigte uns, die
Augen zu schließen; nur dann und wann konnten wir einen Blick auf die pracht
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