Diese war allerdings außerordentlich. Gewöhnlich wird die Tour, welche an sich schon sehr anstrengend ist, in
2 Tagen gemacht. Den ersten Tag wird hinaufgeritten und in der Estanzia dos Ingleses, einem von Felsen geschützten
Platze am Fuße des eigentlichen Pik-Kegels, übernachtet. Da dies aber jetzt ganz untunlich war und die schneebedeckte
Estanzia unmöglich unser Nachtquartier sein konnte, mußten wir die ganze Tour hin und zurück (bis über 13000 Fuß
Höhe hinauf) in einem einzigen Tag machen. So mußten wir denn bereits um 11 Uhr nachts unser Bett, in welchem uns die
Erwartung auf das Wagnis unserer Wanderung nur wenig Schlaf gönnte, verlassen und unser Gepäck rüsten. Um Mitternacht
bestiegen wir, durch einen Kaffeetrunk ermuntert und gestärt, unsere Maultiere, doch dauerte es noch eine halbe
Stunde, ehe die ganze Karawane marschfertig war, da die Führer unter lauten Verwünschungen dies und jenes holen
mußten, was sie vergessen hatten, und da zwei Pferde sich um eine halbe Stunde verspäteten. Erst um 12 1/2 Uhr
setzte sich die Kavalkade in Bewegung. Sie bestand aus folgenden Personen: 1. Der Hauptführer Don Emanuel Reis, der
erfahrendste der Pikführer, der schon über 50 Aszensionen gemacht hatte, auf einem kräftigen schwarzen Maultier.
2. Der sogenannte Chef der kanarisch-pelagischen Zoologen-Expedition, meine Person nämlich, auf einem ausgezeichnet
starken und guten dunkelbraunen Maultier. 3. Hinter mir Fol aufeinem sehr zierlichen weißen Maultier, sehr malerisch
ausstaffiert. 4. Miklucho, ganz in Weiß gekleidet, auf einem schwarzen Bergpferd. 5. Dr. Greef auf einem
miserablen, alten braunen Bergpferde, welches ihn durch seinen schlechten Gang und seine Widerspenstigkeit so ärgerte,
daß er es auf halben Wege mit einem sehr schlecht gesattelten Führerpferde vertauschte. Dann folgte 6. Hermann
Wildpret, der Obergärtner des Botanischen Gartens in Puerto Orotava, ein deutscher Schweizer aus Aargau, welchen uns
ein glücklicher Zufall am ersten Tage in Santa Cruz in die Hände führte. Er ist seit 7 Jahren hier, ein sehr
kenntnisreicher und gefälliger Mann, welcher uns durch seine Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse und der
spanischen Sprache von größtem Nutzen war. Er hat bereits viermal den Pik bestiegen. Wir baten ihn, unser Gast und
Gefährte auf dieser Expedition zu sein, an der er selbst das regste Intgeresse hatte. Nun folgten zwei Maultiere,
welche mit warmen Decken und mit reichlichen Quantitäten von Speise und Trank versehen waren, da schon eine halbe
Stunde oberhalb Orotavas das letzte Dort ist und und weiterhin von einer menschlichen Wohnung nichts mehr anzutreffen
ist. Den Beschluß des langen Zuges machten die vier Führer, welche auch zeitweise zwischen den anderen und an der
Spizte marschierten. Da der gangbare Pfad, welcher übrigens auf der ganzen Strecke überaus steinig und beschwerlich
ist, nur 1-2 Fuß Breite besitzt, so mußten alle in einer Linie hintereinander reiten. Auf der ganzen nächtlichen
Tour leuchtete uns der Mond mit einer Klarheit und einem Glanze, den unsere Breiten nicht kennen.
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