mit großem Geschick bedient, fühlt sich durch
seinen hohen Beruf sehr geschmeichelt. Im ganzen erscheinen die Bewohner Lanzarotes, von denen wir jetzt mehrere
genauer kennen gelernt haben, wie große Kinder, mit allen Tugenden und Lastern der europäischen Knaben von 10-12 Jahren.
Ernst Beschäftigung und strenge Arbeit ist ihnen ganz unbekannt; fast den ganzen Tag wird auf der Straße oder in der
Haustür, die zugleich Fenster ist, umhergelungert, geplaudert oder gespielt; das Hasardspiel lieben sie leidenschaftlich.
Die Frauen bleiben fast immer in die Häuser eingesperrt; nur Sonntags nachmittags dürfen sie ausgehen. Der Verkehr
mit den anderen Inseln und mit Europa ist sehr schwach, da regelmäßige Dampfschiffverbindung gar nicht existiert.
In dem trefflichen Hafen (Puerto Naos) liegen auch immer nur wenige und kleine, fast ausschließlich spanische
Schiffe. In den zwei Monaten, welche wir jetzt hier sind, haben nur zwei englische Dampfer (die die afrikanische
Küste besuchen) Lanzarote berührt. Ganz unglaublich ist der niedere Bildungsgrad selbst der vornehmeren und
gebildeteteren Bewohner von Arrecife, welche von Europa und besonders von Deutschland die seltsamsten Vorstellungen
haben. Sehr viele Insulaner haben niemals ihre Insel verlassen und kennen selbst die nächste Insel, Fuerteventura,
nicht, obwohl sie nur durch einen schmalen Kanal von Lanzarote getrennt ist. Sitten und Gebräuche sind meist spanisch,
jedoch mit viel maurischen und berberischen gemischt, wie denn die Nähe der afrikanischen Küste sich auch in den
Negerphysiognomien vieler hiesiger Mulatten ausspricht. Doch gibt es echte Neger hier nur in geringer Anzahl.
Arrecife auf Lanzarote, 10. Februar 67.
Unser Winteraufenthalt in Arrecife geht seinem Ende rascher entgegen, als wir zuerst beabsichtigt hatten, und wir
haben gestern den Beschluß gefaßt, Ende dieses Monats unsere wüste Insel zu verlassen. Meine drei Reisegefährten sind der
vielen Unbequemlichkeiten des hiesigen Aufenthalts und besonders der unendlichen Menge von Flöhen und anderem
Ungeziefer so satt, daß sie schon verschiedene Male rebellisch geworden sind. Ich selbst hätte gerne noch bis zu der
ursprünglich festgesetzten Abreise (Ende März) hier ausgehalten, um meine angefangenen Arbeiten noch weiter zu
führen. Indessen haben mich die letzten Wochen, welche der pelagischen Fischerei sehr ungünstig waren, ebenfalls
umgestimmt, sodaß ich in den lebhaften Wunsch meiner Reisegefährten, mit dem nächsten englischen Steamer fortzugehen,
eingewilligt habe. Seit Mitte Januar hat sich hier der kanarische Winter eingestellt, zwar nicht mit Schnee und Eis
und selbst nur mit sehr wenig Regen, aber dafür mit desto mehr Sturm, also in der für uns nachteiligsten Form. So
haben wir denn leider in den letzten Wochen nur sehr dürftiges Material gehabt; an vielen Tagen konnten wir selbst gar
nicht mit dem Boote herausfahren.
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