phantasie auch
manches hier andes vorgestellt, als ich es finde, so sind doch im großen und ganzen meine Erwartungen nicht nur erfüllt,
sondern noch übertroffen. Am ersten Tage hier lebte ich in förmlichem Taumel, ganz überwältigt von der Masse herrlicher,
interessanter Gegenstände und Szenen, die mich hier in reichster Fülle umdrängten; allmählich beginnt sich diese
Fülle zu ordnen un dich kann Euch wenigstens einzelnes von dem vielen in dürftigen Zügen zeichnen, für dessen volle
und richtige Wiedergabe auch der fleißigste Pinsel des besten Künstlers nicht ausreichen würde. Doppelt anziehend und
fesselnd erscheint hier alles, nachdem wir vorher auf dem öden, nackten Lanzarote uns jeglichen malerischen und
mannigfaltigen Anblicks entwöhnt hatten. Der ganze Reiz des Orients erscheint aufgeboten, um uns hier in Mogador das
in greifbarer Wirklichkeit vor Augen zu führen, was schon in früher Jugend die Märchen der Tausendundeinen Nacht uns
von Arabien erzählt hatten. Doch hört zuvor, wann und wie wir hierher gekommen sind!
Da der englische Dampfer, welcher jeden Monat nach Lanzarote kommt und welcher uns nach Afrika hinüberführen sollte,
keine bestimmten Tage der Ankunft hat und bloß einige Stunden in Lanzarote hält, so mußten wir schon am 20. Februar
(dem frühesten Termin seiner Ankunft) zur Abreise gerüstet sein. Am 15. Februar schloß ich daher meine Arbeiten,
machte am 16. Februar die Exkursion nach Yaiza und auf die Montagna di fuego, von welcher ich im anderen Brief
berichtet hatte, und begann am 17. Februar die schlimme Arbeit des Einpackens, die bei den mehr als hundert Gläsern
voll Tieren, die ich gesammelt habe, keine geringe war. Auch dauerte sie viel längern, als ich veranschlagt hatte,
sodaß ich erst nach 8 Tagen damit fertig und also erst am 25. Februar zur Abreise bereit war. Täglich und stündlich
wurde von nun an der englische Steamer mit Sehnsucht erwartet. Endlich erschien er am 2. März mittags 12 Uhr auf der
Reede von Arrecife! Ihr könnt Euch denken, welches Leben da auf einmal in die stille "Casa de los quatro
naturlalistas" kam, wie in aller Eile die letzten, noch außer den Kisten gebliebenen Gläser und Mikroskope eingepackt,
die letzten Kisten zugeschlagen und dann mit Freuden das seltsame Haus verlassen wurde, welches ein ganzes Vierteljahr
hindurch der Schauplatz unserer zoologischen Freuden und unserer entomologischen Leiden gewesen war. "Auf Nimmerwiedersehen!"
so riefen wir vielmals dem leeren Hausse, der langweiligen "Calle principal" und dem öden Arrecife zu, obschon wir
mit dankbarem Herzen der schönen zoologischen Schätze gedachten, welche das Meer uns hier beschert hatte. und die uns
noch lange in der Heimat reiches Arbeitsmaterial liefern werden.
Um 4 Uhr nachmittags hatten die Kamele unsere vielen Kisten und Kasten zum Landungsplatz der Booete in Puerto del
Arrecife gebracht. Ich allein hatte nicht weniger als zwei ganz große Kisten, jede von 5-6 Zentnern, und vier kleine.
Nachdem sie alle in Booten an Bord gebracht waren, stiegen wir vier endlich um 5 Uhr selbst zum letzten Male in das
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