IV.
Korfu
(1877)
In dem reichen Kranze von Inseln, welche die vielgestaltigen Gestade des Mittelmeeres säumen, ist manche edel Perle
noch wenig bekannt. Während Kapri, Ischia und Sizilien jetzt alljährlich von zahlreichen Wanderern besucht werden,
verirrt sich nur selten einer nach anderen Eilanden, die nicht weniger reich von der Natur ausgestattet sind. Zu diesen
gehören die Ionischen Inseln und vor allen die Königin derselben, Korfu, deas Kerkyra der alten Griechen
(Corcyra der Römer). Zwar liegt Korfu metten auf der großen Orientstraße, welche Triest und Brindisi mit
Konstantinopel und Alexandrien verbindet, und jeder große Lloyd-Dampfer, der zwischen diesen Hauptplätzen fährt, legt
auf Korfu an; auch zahlreiche andere Dampfschiffe, welche den Verkehr zwischen Brindisi und Athen, zwischen Ankona und
Syra vermitteln, berühren die Hauptstadt der Ionischen Inseln. Aber von tausend Reisenden, welche jeden Monat diese
vielbefahrenen Wasserstraßen passieren, ist kaum einer, der mehr als ein paar Stunden auf Korfu verweilte. Und doch
ist ein Aufenthalt von mehreren Wochen auf dieser gesegneten Phäakeninsel höchst dankbar und belohnt den Wanderer, der ein
offenes Auge für Naturschönheit besitzt, mit einer Fülle der herrlichsten Genüsse.
Seit mehr als 20 Jahren führen mich meine naturwissenschaftlichen Forschungen fast regelmäßig ein Jahr ums andere an
das Mittelmeer, und wenn auf diesen Reisen auch mein zoologisches Spezialstudium, die Untersuchung niederer Seethiere,
der Hauptzweck bleibt, so versäume ich dabei nicht noch, in den Mußestunden mir daneben Land und Leute zu betrachten
und in meinen Skizzenbüchern mir feste Umrisse der Bilder zu sammeln, welche die unvergleichliche Mittelmeernatur in solcher
unerschöpflichen Fülle spendet. So habe ich denn im Laufe der letzten Dezennien das klassische Meer unserer
Kulturgeschichte von Nord nach Süd und von Ost nach West vielfach durchkreuzt. Nachdem ich nun die verschiedensten Seiten
desselben einerseits in Marokko und Spanien, andererseits in Ägypten und Kleinasien kennen gelernt, nachdem ich die
klassichen KÜsten von Italien und Ligurien, von Dalmatien und Griechenland durch
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