Landschafts- als Genremaler - ist Korfu ebenso wie Korsika eine unerschöpfliche, noch kaum
berührte Quelle der dankbarsten Stoffe. Statt immer wieder die abgegriffenen, tausendfach wiederholten Veduten von
Rom und Neapel uns vorzuführen, sollten unsere besten Maler nach Korfu und Korsika gehen; sie würden reichlich
belohnt werden.
Die Reise nach Korfu ist ja so leicht! Wer nicht seescheu ist, fährt von Triest direkt auf dem trefflichen
Lloyd-Dampfer dahin in 48-50 Stunden; manchmal, wenn das Glück gut ist, sogar in kürzerer Zeit, wie ich denn auf der
Hinreise, eine kräftige Bora im Rücken, nur 44 Stunden brauchte. Die Fahrt durch die Adria gehört zu den
angenehmsten Seereisen. Hat man Triest um Mittag verlassen, so genießt man am Nachmittage den Anblick der istrischen
Küsten und der sie schmückenden Städtchen, unter denen sich namentlich Pirano mit seinen mittelalterlichen Türmen und
Mauerkronen auszeichnet. Wendet man sich zurück, so erfreut sich das Auge an der langgestreckten Ketter der Venezianer
und Ampezzaner Alpen mit ihren vielzackigen Gipfeln und Schneezinnen. Am späteren Nachmittage hüllen sich letztere in den
zartesten rosigen Duft und schimmern bei Sonnenuntergang in prächtigem Purpurglanz. In der Nacht passieren wir den
Quarnero und am andern Morgen fahren wir der dalmatischen Küste entlang, über deren Inseln und Halbinseln sich die wilden
Gebirge von Bosnien und der Herzegowina erhaben, gerade jetzt der Schauplatz einer neuen Szene in dem rätselvollen
orientalischen Drama. Gegen Mittag fährt unser Dampfer zwischen den schöngeformten duftigen Rosmarin-Inseln Lissa und
Lesina hindurch. An Bord unseres Schiffes befand sich zufällig ein österreichischer Marineoffizier, der hier 1866 auf
dem Flaggenschiff unter Tegethoffs Führung an der ruhmvollen Seeschlacht teilnahm; er konnte uns die wichtigsten Punkte
des marinen Schlachtfeldes zu unserer Rechten zeigen und ihre spannendsten Akte erzählen. Zur Linken aber sendete ich
Grüße nach dem lieben Lesina hinüber, wo ich vor 6 Jahren im Franziskanerkloster vier höchst originelle Wochen verlebte
und der Gastsfreundschaft des trefflichen Padre Buona Grazia durch eifrige Studien über die Gastrula mich würdig zu
zeigen suchte. Weiter fahren wir zwischen den Inseln Curzola und Gazza hindurch, lassen Lagosta zur Linken liegen un d
erblicken bald zur Rechten in weiter Ferne das einsame, ungewohnte Felseneiland Pelagosa. Auf dieser öden Klippe wurde
kürzlich ein Leuchtturm errichtet, und das gab Veranlassung zu einer negativen Besitz-Kontroverse zwischen der
österreichischen und der italienischen Regierung; denn keine von beiden wollten den toten Felsen in Besitz nehmen
und die Kosten der Laternenunterhaltung tragen. Ein wenig weiter taucht in blauer Ferne rechts an der italischen Küste
ein langer Bergrücken empor; das ist der heilige Monte Gargano, der sich steil aus der apulischen Tiefebene, dem
Tavoliere di Puglia erhebt, der "Sporn am Stiefel Italiens". Hier liegt einsam und verlassen am Weststrande der Adria
die ehrwürdige Hohenstaufenstadt
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