lanzettförmigen Blätter, oben fast schwärzlich grün, unten silberfarbig; und dazwischen sitzen überall Hunderttausende
von schwarzen Steinfrüchten, die hier die Größe von Kirschen erreichen. Zu der warmen Farbe des gelben Kalksteins
und dem tiefen Meeresblau paßt diese stille, gedämpfte Koloratur der Oiven eben so vortrefflich, wie sie durch das
tiefe Dunkelgrün der allenthalben zerstreuten schlanken Zypressen kräftig gehoben wird. Was aber den Olivenwäldern von
Koruf ihren Hauptreiz verleiht, das ist die unendliche Mannigfaltigkeit der individuellen Physiognomie, und wie man
bei unseren Kulturvölkern unter tausend Individuen nicht leicht zwei trifft, die sich zum Verwechseln ähnlich sind,
so hat auch bei diesem edelsten Kulturbaum jedes Individuum sein eigenes Gesicht.
Die Zahl der Ölbäume auf der Insel wird auf mehr als 5 Millionen geschätzt - jedenfalls mehr als ausreichend, um
eine anspruchslose Bevölkerung von nicht mehr als 70000 unter diesem gesegneten Himmelsstrich genügend zu ernähren.
Obwohl das Öl auf der Insel selbst (als einziges Beleuchtungsmaterial und als Surrogat der Butter) geradezu verschwendet
wird, obwohl Tausende ewiger Lampen in allen Häusern und Kapellen eine ungeheure Masse verzehren, bildet es dennoch einen
sehr ergiebigen Ausfuhrartikel. In der Tat ist die Olivenernte hier die Hauptsache, und alles andere tritt dagegen
zurück. Durch eine sonderbare, sogar zum Gesetz gewordene Gewohnheit ist es verboten, die Ölfrüchte abzunehmen oder zu
schütteln. Sie dürfen nur vom Boden aufgelesen werden, auf den sie herabfallen. Sie sieht man denn zur Zeit der
Olivenernste (im Frühjahr) überall Hunderte von gebückten und gelagerten Menschen, die mit dem Auflesen von abgefallenen
Oliven beschäftigt sind. Da die Arbeitskräfte der Korsioten selbst dafür nicht ausreichen, so lassen sie vom
epirotischen Festlande drüben arme Albanesen zur Aushilfe herüber kommen. Scharen derselben, Männer, Weiber und Kinder
bunt durcheinander, in Ziegenfelle gehüllt, findet man nachts vor den Mauern der Stadt schlafend, da die gewölbte Halle
des Königstores (Porta reale), ihr bevorzugter Lagerplatz, nicht allen Schutz gewährt.
Natürlich geht bei der mangelhaften Methode der Olivenernte ein großer Teil des Ertrages verloren, und man versicherte
mir, daß dieser Verlust wohl ein Viertel oder gar ein Drittel der wirklichen Früchtemenge betrage. Auch die Methodee der
Ölbereitung (durch Auspressen auf rohen Steinmühlen) ist sehr mangelhaft, und durch ein verbessertes Verfahren könnte
leicht der Reinertrag sehr bedeutend erhöht werden. Wie aber überall im sorglosen Süden, wo der Kampf ums Dasein dem
Menschen durch die gütige Natur selbst zu sehr erleichtert ist, so ist auch in Korfu jeder kulturgeschichtliche
Fortschritt durch das süße Gesetz der Trägheit mächtig gehemmt; und wie der ganze Ackerbau und Gartenbau, so liefert auch
der Hauptzweig, der Ölbau, wegen mangelhafter Sorgfalt bei weitem nicht die Resultate, welche ein eifriges und der
Verbesserung geneigtes Bauernvolk erzielen würde. Feld- und Gartengerät steht auf
|
Faxsimile (Scan) dieser Textseite.
|