der
gastlichen Phäakeninsel warf! Mich wundert`s nur, daß die Engländer ihrerzeit keinen Tunnel durch den Pellekaberg
getrieben und keine Eisenbahn nach dem Strande von Myrtiotissa angelegt hatten, um dieses wundervolle Seeband täglich
zu genießen!
Nach diesem wilden Wellenbade erschien uns natürlich die stille Klosterzelle von Myrtiotissa, inder wir vor einem
neuen Regengusse Zuflucht suchten, als ein höchst behaglicher Aufenthalt. Unsere romantische Stimmung wurde noch mehr
gehoben, als uns die freundlichen Klosterbrüder einen ausgezeichneten türkischen Kaffee brauten - schaumig und
duftend wie in Konstantinopel! Und dann stärkten sie unser Herz noch durch einen kräftigen Klosterschnaps (Raki oder
Mastika). Wie in lateinischen Klöstern den besten Wein, so trifft man in griechischen den besten Branntwein, einen
würzigen Likör, der aus verschiedenen aromatischen Kräutern, namentlich aus Terebinthen, gebraut wird. Nachdem wir
dergestalt neue Lebenswärme in unsere Adern gegossen und dazu das mitgebrachte Frühstück mit dem einem solchen
Heiligtum gebührenden Appetite verzehrt hatten, ließen wir uns auch noch die Reliquien und den alten Heiligenkram
in der kleinen Klosterkirche zeigen. Unser Führer war selbst ein lebendiger Heiliger, ein wunderschöner Jüngling von
etwa zwanzig Jahren, mit einem wahren Johannesgesicht, von langen, braunen Locken umflossen. Unter den Bildern kehrt
hier überall eine schwarze Madonna mit scharzem Christuskind wieder, in silbernes Gewand gekleidet.
Ein anderes Mönchskloster liegt eine Meile von Myrtiotissa nordwärts, ebenfalls an der steilen Westküste. Dasselbe
führt den Namen Paläocastrizza, d. h. "Altenburg", weil auf einer benachbarten Bergkuppe die Ruinen eines
alten venetianischen Forts sich befinden. Die Fahrstraße, auf welcher man mit guten Pferde von der Stadt in drei
Stunden hierher gelangt, ist kunstvoll von einem englischen Linienregiment angelegt, dessen Namen auf einer ehernen,
in die Felswand eingelassenen Tafel verewigt ist. Man fährt zuerst längs des Meeres hin bis Govino, dann landeinwärts
in westlicher Richtung durch herrliche Olivenwälder und gelangt darauf in eine waldige und felsige Gebirgsgegend. Die
Szenerie verliert hier den weichen, idyllischen Charakter von Korfu und erinnerte mich lebhaft an eine Gegend von
Korsika, so namentlich, als wir durch den Grund einer Felsenschlucht fuhren, in der ein wilder Bergbach sich ein
tiefes Kiesbett ausgewühlt hatte. Die Hügel waren hier großenteils mit den gelben Blumensträußen des Goldregens
(Cytisus) bedeckt; dazwischen in großer Zahl die gelbgrüne, baumartige Wolfsmilch (Euphorbia dendroides),
eine blaue Iris, und auf dem Rasen Massen von der schönen roten Sternanemone (A. stellata).
Je mehr sich die Straße der Westküste nähert, desto wilder und großartiger wird die Szenerie. Zur Rechten schlängelt sich
eine vielgewundene
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