Straße nach San Pantaleone hinauf, einem Bergpasse, der den
westlichen Abfall des Pantokrator durchschneidet. Man genießt von hier eine überraschende Aussicht auf den nördlichen
Teil der Insel und auf die benachbarten Eilande: Salmastraki, Othonus und Erikusa. Eine nahe, phantastisch geformte
Klippe wird einem Schiff mit vollen Segeln verglichen und als das versteinerte Phäakenschiff von denjenigen
angesehen, welche die ähnliche, bei Pontikonisi vor Canoni liegende Klippe nicht als solches gelten lassen wollen.
Zur Linken windet sich unsere Klasse durch einen Engpaß, der an die "Klammen" unserer Alpen erinnert und vieldurch durch
den Felsen gesprengt sit; die senkrechten hohen Felswände prangen in den schönsten gelben und roten Farben. Dann senkt
sich die Straße wieder und führt in vielen Windungen am Ufer einer tief eingeschnittenen Bucht hin. Bei jeder neuen
Wendung wird man durch ein neues Bild überrascht. Zuletzt steigen wir auf steilem Fußweg zu dem Felsenvorsprung
hinauf, auf dem das Kloster liegt. Aus der Verande desselben genießen wir einen entzückenden Blick auf die wilde
Felsenküste und das blaue Meer, tief zu Füßen eine Reihe kleiner Klippen, die von der tobenden Brandung umschäumt werden.
Das Kloster selbst bietet nichts Besonderes. In der kürzlich restaurierten Klosterkirche sind einige Reliquien vom
heiligen Spiridion das Wichtigste.
Der heilige Spiridion ist nämlich der allverehrte Schutzpatron der Insel. Alles, was in Korfu Gutes und
Schlechtes, Großes und Kleines alltäglich passiert, alles das geschieht unter Verantwortlichkeit von Sankt
Spiridion. Daher wird denn auch jeder dritte Knabe auf den Namen Spiridion getauft, und wenn man rasch einen
herumlungernden Straßenjungen für einen kleinen Dienst herbeirufen will, braucht man nur geradewweg Spiro zu
rufen; gleich werden 1/2 Dutzend kleinere und größere Spiros bei der Hand sein. Ich hatte nun das Glück, während meiner
Anwesenheit die persönliche Bekanntschaft des heiligen Spiridion zu machen, dessen wohlerhaltener Leichnam den
größten Teil des Jahres hindurch in einem Kasten verschlossen ist; nur während gewisser Feiertage wird er aus seinem
Gefängnis entlassen, um sich am Licht und Farbenglanz seiner paradiesischen Insel zu erfreuen. Diesmal war es der
Palmsonntag, an welchem er die Erlaubnis erhielt, sich öffentlich dem Volke zu zeigen und einen Spaziergang
durch die Stadt zu machen. Palmsonntag ist einer der höchsten Festtage der griechischen Kirche und wird durch eine der
öröpten Prozessionen gefeiert. Als allgemeines Volksfest genießt letztere um so größeres Ansehen, je strenger im
ganzen die Fastenzeit von den Griechen gehalten wird. Außer einigen Vegetabilien, besonders Feigen, Bohnen, Obst,
genießen die frommen Leute während dieser schweren Zeit nur noch Zuckerweg, Milch und Eier, namentlich aber Austern
und gewisse andere Muscheln (Arca Mytilus, Spondylus), Tiere, welche von der allwissenden und
unfehlbaren Kirche vom Pflanzenreich gerechnet werden. Wer aber ganz besonders fromm und enthalt
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