zeit allerdings ein
äußerst mühseliges Werk, da der nackte Gipfel des Berges sehr steil und der Weg überaus steinig und beschwerlich ist.
Freilich wird der fromme Wallfahrer, der dabei ein paar Schuhsohlen opfert, oben durch eine prachtvolle Rundsicht belohnt,
welche die ganze Insel und das benachbarte Festland umfaßt.
Überaus malerisch sind die Dörfer Signes, Spartilla, San Marco usw., welche an dem warmen Südabhange dieses
gewaltigen Berges in die üppigste südliche Vegetation eingebettet sind, zum Teil über steil abfallenden Schluchten
thronend. So prachtvolle Riesen von Oliven, wie in San Marco und Ipsa, habe ich nirgendwo sonst gesehen, und doppelt
imposant erscheinen sie hier dadurch, daß sie mit einzelnen uralten Eichen von gigantischem Wuchse gemischt sind
(Quercus pubescens). Es war ein herrlicher Apriltag, als ich diese Orte besuchte. Der deutsche Konsul,
Herr Fels, in dessen liebenswürdiger Familie ich dort rasch die deutsche Heimat wiederfand, hatte für diese
Fahrt das deutsche Konsulatsboot mit vier kräftigen Ruderern bemannt. Mit Unterstützung einer günstigen Brise brachten
sie uns in zwei Stunden quer über die nordöstliche Bucht nach Ipsa. Dort wurde gebadet, eine Exkursion nach San Marco,
dem alten Venetianerdorfe, unternommen und dann in Ipsa in der Villa eines befreundeten Korsioten ein heiteres
Mittagsmahl verzehrt, gewürzt durch den ausgezeichneten feurigen "Gutland-Wein", den eine deutsche Weinbauergesellschaft
in der Gegend von Patras erzieht. Die Rückkehr in goldigem Abendschein, unter deutschem Liederklang, bildete einen
entsprechenden Abschluß des prächtigen Tages.
Eine andere Wallfahrt unternahm ich auf den Monte Santi Deca, den "Zehnheiligenberg", den zweithöchsten
Gipfel der Insel (von zirka 2000 Fuß). Diese gewaltige Felsenmauer schützt den blühenden Garten von Mittelkorfu ebenso
gegen Süden, wie der Pantokrator gegen Norden. Auch da hinauf ist der Weg steil, steinig und heiß. Aber auch hier wird
man durch eine prächtige Rundsicht belohnt, und der gläubige Pilger zudem noch durch den Anblick einer Kapelle mit den
zehn wundertätigen Heiligen. An dem westlichen Felsenabhang des Monte Deca liegt auf halber Höhe das Dorf Santi
Deca, durch eine tiefe Waldschlucht von dem Dorfe Gasturi gegenüber getrennt. Die Szenerie von
Gasturi ist überaus malerisch, und ich möchte ihr vor allen anderen Partien der Insel den ersten Preis zuerkennen. Das
Dorf besteht eigentlich aus zwei verschiedenen Gemeinden, von denen die eine, das Oberdorf (Anapu-Gasturi) kühn auf
steiler Höhe thronnt, während das andere, das Unterdorf - Katu-Gasturi - tief in den Grund des waldigen Talkessels
hinabsteigt. Zahlreiche Bäche stürzen durch die felsigen Schluchten der Bergwand, die mit dem üppigsten Gerank
von Schlingpflanzen und Gebüsch überwuchert sind. Unten steht nebem dem originellen, maurisch gebauten Hauptbrunnen
des Dorfes eine ungeheure alte Platane, ein wahrer Prachtbaum. In seinem hohlen Stamme hatten einst zwei alte
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