bilden die mächtigen Netze der verwebten Lianenstricke über unseren Häuptern, sondern auch
förmliche Leitersprossen am Boden zum Anklammern der Füße, und zu beiden Seiten biegsame, aber feste Treppengeländer,
an denen wir uns mit den Händen emporziehen.
Mitten in diesem reizenden, immergrünen Gange begegneten wir einer Pilgerschar von etwa 30 schwarzen Tamilen oder
Malabaren; halbwilden Leuten von jener interessanten Dravidarasse, die wahrscheinlich zu den Urbewohnern Vorderindiens
gehört. Vor mehr als 1000 Jahren sind sie vom Festland auf die Insel herübergekommen und haben fast deren Hälfte mit
Gewalt erobert; gegenwärtig bilden sie die Hauptmasse der Arbeiter in den Kaffeeplantagen und besiegen in friedlichem
Wettkampfe fleißiger Arbeit die trägen und weichlichen Singhalesen. Bei der geringen Breite des steilen Waldpfades
blieben die Tamilpilger ehrerbietig stehen, um uns aufwärts Klimmende erst vorüber zu lassen, und so fanden wir
Gelegenheit, die Schönheit ihres schlanken und doch kräftigen Körperbaues aus nächster Nähe zu bewundern; um so mehr, als
die Kleidung der meisten sich auf einen weißen Turban und einen roten Lendenschurz beschränkte. Alle Lebensalter waren
unter dieser Pilgerschar vertreten, vom reizenden jugendlichen Knaben und zierlichen Mädchen bis zum zitternden Greise und
der welken Matrone; und die kräftigen Frauen trugen selbst teilweise einen Säuglich am Busen oder ein einjähriges
Kind reitend auf der Hüfte. Denn es gilt sowohl bei diesen brahmagläubigen Tamilen als bei den buddhagläubigen
Singhalesen für höchst verdienstlich und gottgefällig, die Pilgerfahrt auf den heiligen Berg schon in frühester Jugend
zu unternehmen; nicht allein glauben die frommen Pilger sich dadurch Gesundheit und langes Leben zu sichern, sondern auch
Schutz vor bösen Geistern und Vergebun für zukünftige Sünden.
Ein interessantes Schauspiel ganz anderer Art überraschte uns, als wir eine viertel Stunde später abermals einen
rauschenden Waldbach überschritten, und durch einige prachtvolle Balsaminen verlockt, einen kleinen Seitenabstecher
im Flußbetter aufwärts machten. Bei einer plötzlichen Biegung desselben standen wir vor einem reizenden Bassin, das von
hohen Urwaldriesen eingeschlossen und mit kühnen Girlanden phantastisch verziert war. Eine Herde von großen grauen
Gebirgsaffen (Presbytis ursinus), deren lebhafte Stimmen wir schon unmittelbar vorher gehört hatten, tief hier sein
munteres Spiel, wurde aber durch unsere unvermutete Erscheinung so erschreckt, daß sie eilends auf die entgegengesetzte
Seite flüchtete. Dabei benutzen die kühnen Seiltänzer die überhängenden Lianen als Klettertaue, mit erstaunlicher
Geschicklichkeit sich von einem Baum zum anderen schwingend.
Als wir etwas weiter oberhalb aus dem schattenspendenden Dickicht heraustraten, standen wir unmittelbar vor einer
hohen Felsenwand, in der eine lange Treppe von eingehauenen Stufen aufwärts führte. Am oberen Rande derselben bemerkten
wir auf einer vorspringenden Platt
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