bar über uns die nackte Felsenspitze des Wunderberges und auf derselben
den weltberühmten Buddhatempel, das Endziel unserer mühsamen Pilgerfahrt. Wenige steile Stufen noch und wir standen
am Eingang in des ehrwürdige Heiligtum, ehrerbietig begrüßt von den alten weißbärtigen Buddhapriestern, die hier als
Wächter dasselbe hüten und die Opfer der Wallfahrer entgegennehmen. Sie wohnen indessen hier oben nur 4-5 Monate, von
Januar bis April oder Mai. Während des übrigen Jahres ist der Samanala wegen der täglichen, überaus heftigen
Regengüsse unzugänglich.
Der oberste Gipfel des Adams-Pik entspricht ganz den Vorstellungen, die wir uns als kleine Kinder von hohen
Bergspitzen zu machen pflegen; wir denken sie uns so spitz zulaufend, wie einen Zuckerhut, und begreifen nicht,
wie ein Haus da oben stehen kann. In der Tat ist die oberste Gneiskuppe des Samanala so zugespitzt, daß nur das kleine
Heiligtum darauf Platz findet, welches sich baldachinartig über dem heiligen Fußtapfen wölbt. Und auch unmittelbar am
Fuße dieses heiligen Felsblockes, 20 Fuß tiefer, ist der Raum so beschränkt, daß neben der schmalen, hinaufführenden
Treppe nur ein paar enge Priesterwohnungen nebeneinander stehen, winzige, einstöckige Steinhütten. Dieser ganze enge
Raum ist umfriedigt von einer niedrigen weißen Mauer mit zwei Eingangspforten, einer im Norden, der anderen im Süden.
Die schönste Einfassung derselben aber bilden die prachtvollen Rhododendronbäume, die sich zu unsern nahe verwandten
Alpenrosen ähnlich verhalten wie der tropische Riesenbambus zu unserem zarten Grashalm. Jeder Zweig dieser knorrigen,
20-50 Fuß hohen Bäume trägt ein schimmerndes Ballbukett, eine mächtige Rosette von dunkelgrünen Blättern, aus deren
Mitte 20-30 prachtvoll scharlachrote Rosen hervorleuchten.
Nachdem wir die schmale Treppe hinaufgestiegen und unter das Dach des kleinen, halboffenen, baldachinartigen
Tempelchens getreten waren, standen wir vor dem Sripada, vor dem ehrwürdigen Heiligtume, welches seit mehr als
2000 Jahren der Gegenstand andächtigster Verehrung für so viele Millionen frommer Pilger gewesen ist. Der heilige
Fußtapfen an sich erscheint nicht geeignet, diese Anbetung zu rechtfertigen. Es ist eine einfach, länglich runde
Vertiefung in der obersten Fläche der Felsenkuppe, 5 1/4 Fuß lang, 2 1/2 Fuß breit. Es gehört viel Einbildungskraft dazu,
um in diesem flachen Felsenbecken auch nur annähernd den Abdruck eines menschlichen Riesenfußes zu erkennen. Unsere
Paläontologen, die aus den fünfzehigen und vierzehigen Fährtenabdrücken in bunten Sandstein und Keuper mit voller
Sicherheit auf die Existenz der Reptilien, Vägel und Säugetiere schließen, die dort im Meeresschlamme vor Millionen von
Jahren lustwandelten, würden sich schwerlich bereit finden, den Sripada hier als Abdruck eines Wirbeltierfußes gelten zu
lassen. Indessen der feste Glaube vermag viel; und um der ringenden Phantasie skeptischer Pilger zu Hilfe zu kommen,
haben die Buddhapriester
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