Trachten, welche von mexicanischen Mahlern zu Montezuma´s Zeit gezeichnet wurden.
Diese neuen Figuren sind aus dem Codex anonymus, nro. 3738., welcher sich unter den Handschriften im Vatikan befindet, und den wir mehreremale anzuführen Gelegenheit hatten, genommen. Es sind Kopien von Gemählden, die zur Zeit von Cortez erstem Aufenthalt in Tenochtitlan von mexicanischen Mahlern verfertigt wurden. Der Pater Rios, der sie kopierte, scheint indess mehr Aufmerksamkeit auf einzelne Theile der Trachten, als auf die treue Nachahmung der Umrisse der Figuren verwandt zu haben. Denn vergleicht man die Gemählde auf der vierzehnten Kupfertafel mit denen der Original-Handschriften, welche unsre Zeit noch besitzt, so sieht man, dass die, von dem spanischen Mönche kopierten, Figuren zu sehr verlängert sind. Diese Entstellungen der eigentlichen Form findet man aber überall, wo die Künstler nicht gehörig gefühlt haben, wie wichtig es ist, dass der Styl, welcher die Werke der Kunst bei mehr oder minder von der Civilisation entfernten Völkern karakterisiert beibehalten wird. Welche Verschiedenheit in der Richtigkeit der Umrisse finden wir z. B. in den, von Norden herausgegebenen, Hieroglyphen, und in denen, welche sich in Zoëga´s Werk über die Obelisken, oder in der Beschreibung der egyptischen Monumente finden, womit das Institut von Cairo die gelehrte Welt bereichert hat?
No. I-V. Vier mexicanische Krieger. Die drei ersten haben die Bekleidung, Ichcahuepilli genannt, eine Art von baumwollenem Kürass, der über drei Centimeters dick war, und den Körper vom Hals bis auf den Gürtel bedeckte. Cortez Soldaten nahmen dieses Waffenkleid an, und hiessen es Escaupil, worunter man freylich kaum noch ein Wort aus der azteckischen Sprache erkennt. Der Ichcahuepilli widerstand den Pfeilen vollkommen; indess muss man ihn nicht mit den goldenen und kupfernen Panzerhemden verwechseln, welche die Generale wegen ihrer maskenförmigen Rüstung Herren der Adler und Tieger, Quauhtin und Oocelo, genannt, trugen. Die Schilde, Chimalli, no. I. und II. sind von den bei Purchas und Lorenzana [ Purchas, Pilgrimes, tom. III. p. 080, fig. L. M., p. 1099, fig. C. Pl. IV. fig. F. Lorenzana, historia de nueva España, p. 177. lam. 2, 8. und 9. Adornos militares. ] abgebildeten in der Form sehr verschieden. Der Wappenschild nro. II. hat ein Anhängsel von Zeug und Federn, welches dazu diente, die Kraft der Wurfspiesse zu schächen, und seine Form erinnert überhaupt an die Schilde, die man auf mehrern Vasen von Gross-Griechenland abgebildet findet. Die Keule, welche der Krieger, nro. III. trägt, war hohl, und enthielt Steine, die mit solcher Kraft geworfen wurden, als ob sie mit der Schleuder abgeschnellt worden wären. Die Figur nro. IV. stellt einen von jenen furchtlosen Soldaten dar, welche beinah nakt ins Gefecht giengen, und nur den Körper in ein Netz mit grossen Maschen gewickelt hatten, das sie, wie die römischen Retarii in ihrem Kampf mit den Mirmillo´s, dem Feind über den Kopf warfen. No. V. ist ein gemeiner Soldat, das blos einen Mantel von Zeug und ein sehr schmales Band von Leder, Maxtlatl, um den Gürtel trug.
Die Figur nro. VI. stellt, wie der Codex vaticanus ausdrücklich angiebt, den unglücklichen Montezuma II. im Hofkleide vor, das er im Innern seines Pallastes zu tragen pflegte. Sein Rock, Tlachquauhjo, ist mit Perlen besetzt; seine Haare sind auf der Spitze des Kopfes vereinigt, und mit einem rothen Bande zusammengebunden, was eine militärische Auszeichnung der Prinzen und der tapfersten Anführer war. Seinen Hals ziert ein Schmuck von feinen Steinen (Cozcapetlatl); allein er trägt weder Armbänder (Matemecatl), noch Halbstiefel (Cozehuatl), noch Ohrringe (Nacochtli), noch den, mit Smaragden besetzten, an der Unterlippe hängenden, Ring, der zum grossen Anzug des Kaisers gehörte. Der Verfasser des Codex anonymus bemerkt, "dass der Fürst vorgestellt ist, in der einen Hand "Blumen, und in der andern eine Binse haltend, an deren Ende ein Cylinder von wohlriechendem Harz befestigt ist." Das Gefäss, welches der Kaiser in seiner linken Hand hat, ist demjenigen, das man in der Hand des trunkenen Indianers in Mendoza´s Sammlung [ Purchas, p. 1117, fig. F. ] sieht, etwas ähnlich. Die mexicanischen Mahler bildeten die Könige und die grossen Herrn gewöhnlich mit blossen Füssen ab, wodurch sie andeuteten, sie seyen nicht dazu bestimmt, ihre Fusse zu gebrauchen, sondern müssten immer auf den Schultern ihrer Diener im Palanquin getragen werden [ Codex anonymus, nro. 3738. fol. 60. ].
No. VII. Ein Bewohner von Tzapoteca, einer Provinz, welche den südöstlichen Theil der Intendantschaft Oaxaca umfasste.
No. VIII. und IX. Zwei Weiber von Huasteca. Die Kleidung der letztern ist ohne Zweifel indianisch, die der erstern hingegen hat viele Aehnlichkeit mit der europäischen. Ist sie vielleicht eine Frau aus dem Lande, der Cortez Soldaten ein Halstuch und einen Rosenkranz gegeben haben? - Ueber diese Frage will ich nicht entscheiden, sondern bemerke nur, dass das dreieckige Tuch noch in mehreren Gemählden wieder vorkommt, die vor der Ankunft der Europäer verfertigt wurden, und dass der angebliche Rosenkranz, der sich übrigens nicht mit einem Kreuze endigt, leicht eine der Schnüre von Rosenkranz-ähnlicher Form seyn könnte, welche von den ältesten Zeiten her in ganz Ost-Asien, in Canada, in Mexico und in Peru vorhanden waren.
Unerachtet der Pater Rios, wie wir weiter oben bemerkt haben, die Figuren ein wenig verlängert zu haben scheint, so beweisen doch die Extremitäten und die Form der Augen und Lippen, von denen die obere immer über die untere hervorreicht, dass er getreu kopiert hat.