Monistische Studien über ontogenetische Psychologie. Entwickelung des Seelenlebens im individuellen Leben der Person.
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Inhalt: Bedeutung der Ontogenie für die Psychologie. Entwickelung der Kindes-Seele. Beginn der Existenz der individuellen Seele. Einschachtelung der Seele. Mytholgie des Seelen-Ursprungs. Physiologie des Seelen-Ursprungs. Elementare Vorgänge bei der Befruchtung. Kopulation der weiblichen Eizelle und der männlichen Samenzelle. Zellenliebe. Vererbung der Seele von Eltern und Voreltern. Ihre physiologische Natur als Mechanik des Plasma. Seelenmischung (psychische Amphigonie). Rückschlag, psychologischer Atavismus. Das biogenetische Grundgesetz in der Psychologie. Palingenetische Wiederholung und cenogenetische Abänderung. Embryonale und postembryonale Psychogenie.
Unsere menschliche Seele - gleichviel, wie man ihr Wesen auffaßt - unterliegt einer stetigen Entwickelung. Diese ontogenetische Thatsache ist für unsere monistische Psychologie von fundamentaler Bedeutung, obwohl die meisten "Psychologen vom Fach" ihr theils nur geringe, theils gar keine Berücksichtigung schenken. Wie nun die individuelle Entwickelungsgeschichte nach Baer's Ausdruck - und nach der jetzt allgemein herrschenden Ueberzeugung der Biologen - der "wahre Lichtträger für alle Untersuchungen über organische Körper ist", so wird dieselbe auch über die wichtigsten Geheimnisse ihres Seelenlebens uns erst das wahre Licht anzünden.
Obgleich nun diese "Keimesgeschichte der Menschen-Seele" äußerst wichtig und interessant ist, hat sie doch bisher nur in sehr beschränktem Umfange die verdiente Berücksichtigung gefunden. Es waren bisher fast ausschließlich die Pädagogen, welche sich mit einem Theile derselben beschäftigen; durch ihren praktischen Beruf darauf angewiesen, die Ausbildung der Seelenthätigkeit beim Kinde zu leiten und zu überwachen, mußten sie auch theoretisches Interesse an den dabei beobachteten psychogenetischen Thatsachen finden. Indessen standen diese Pädagogen - soweit sie überhaupt darüber nachdachten! - in der Neuzeit wie im Alterthum größtentheils im Banne der herrschenden dualistischen Psychologie; dagegen waren sie mit den wichtigsten Thatsachen der vergleichenden Psychologie, sowie mit der Organization und Funktion des Gehirns meistens nicht bekannt. Außerdem aber betrafen ihre Beobachtungen größtentheils erst die Kinder in schulpflichtigem Alter oder in den unmittelbar vorhergehenden Lebensjahren. Die merkwürigen Erscheinungen, welche die individuelle Psychogenie des Kindes gerade in den ersten Lebensjahren darbietet, und welche alle denkenden Eltern freudig bewundern, wurden fast niemals Gegenstand eingehender wissenschaftlicher Studien. Hier hat erst Wilhelm Preyer (1881) Bahn gebrochen, in seiner interessanten Schrift über "Die Seele des Kindes; Beobachtungen über die geistige Entwickelung des Menschen in den ersten Lebensjahren". Indessen müssen wir, um volle Klarheit zu gewinnen, noch weiter zurückgehen, bis auf die erste Entstehung der Seele im befruchteten Ei.
Leibniz übertrug diese Einschachtelungs-Lehre ganz folgerichtig auch auf die menschliche Seele; er leugnete für sie eine wahre Entwickelung (Epigenesis) ebenso wie für den Körper und sagte seiner Theodicee: "So sollte ich meinen, daß die Seelen, welche eines Tages menschliche Seelen sein werden, im Samen, wie jene von anderen Species, dagewesen sind; daß sie in den Voreltern bis auf Adam, also seit dem Anfange der Dinge, immer in Form organisirter Körper existirt haben." Aehnliche Vorstellungen erhielten sich sowohl in der Biologie wie in der Philosophie noch bis in das dritte Decennium des 19. Jahrhunderts, wo ihnen die Reform der Keimesgeschichte durch Baer den Todesstoß versetzte. Im Gebiete der Psychologie haben sie aber selbst bis auf den heutigen Tag noch vielfach Geltung; sie stellen nur eine Gruppe unter den vielen seltsamen, mysthischen Vorstellungen dar, welche die Ontogenie der Psyche auch heute noch aufweist.
Wenn nun die beiderlei Zellen in Folge der Begattung zusammentreffen, oder wenn sie durch künstliche Befruchtung (z. B. bei Fischen) in Berührung gebracht werden, ziehen sie sich gegenseitig an und legen sich fest an einander. Die Ursache dieser cellularen Attraktion ist eine chemische, dem Geruche oder Geschmacke verwandte Sinnes-Thätigkeit des Plasma, die wir als "erotischen Chemotopismus" bezeichnen; man kann sie auch geradezu (sowohl im Sinne der Chemie als im Sinne der Roman-Liebe) "Zellen-Wahlverwandtschaft" oder "sexuelle Zellenliebe" nennen. Zahlreiche Geißelzellen des Sperma schwimmen auf die ruhige Eizelle lebhaft hin und versuchen in deren Körper einzudringen. Wie Hertwig (1875) gezeigt hat, gelingt es aber normaler Weise nur einem einzigen glücklichen Bewerber, das ersehnte Ziel wirklich zu erreichen. Sobald sich dieses bevorzugte "Samenthierchen" mit seinem "Kopfe" (d. h. dem Zellenkern) in den Leib der Eizelle eingebohrt hat, wird von der Eizelle eine dünne Schleimschicht abgesondert, welche das Eindringen anderer männlicher Zellen verhindert. Nur wenn Hertwig durch niedere Temperatur die Eizelle in Kälte-Starre versetzte oder sie durch narkotische Mittel (Chloroform, Morphium, Nikotin) betäubte, unterblieb die Bildung dieser Schutzhülle; dann trat "Ueberbefruchtung oder Polyspermie" ein, und zahlreiche Samenfäden bohrten sich in den Leib der bewußtlosen Zelle ein (Anthropogenie S. 54.). Diese merkwürdige Thatsache bezeugt ebenso einen niederen Grad von "cellularem Instinkt" (oder mindestens von specifischer, sinnlicher, lebhafter Empfindung) in den beiderlei Geschlechtszellen wie die wichtigen Vorgänge, die gleich darauf sich in ihrem Innern abspielen. Die beiderlei Zellenkerne, der weibliche Eikern und der männliche Spermakern, ziehen sich gegenseitig an, nähern sich und verschmelzen bei der Berührung vollständig miteinander. So ist denn aus der befruchteten Eizelle jene wichtige neue Zelle entstanden, welche wir Stammzelle (Cytula) nennen, und aus deren wiederholter Theilung der ganze vielzellige Organismus hervorgeht.
Die psychologischen Erkenntnisse, welche sich aus diesen merkwürdigen, erst in den letzten 28 Jahren sicher beobachteten Thatsachen der Befruchtung ergeben, sind überaus wichtig und bisher nicht entfernt in ihrer allgemeinen Bedeutung erkannt. Wir fassen hier die wesentlichesten Folgerungen in folgenden fünf Sätzen zusammen: I. Jedes menschliche Individuum ist, wie jedes andere Thier, im Beginne seiner Existenz eine einfache Zelle. II. Diese Stammzelle (Cytula) entsteht überall auf dieselbe Weise, durch Verschmelzung oder Kopulation von zwei getrennten Zellen verschiedenen Ursprungs, der weiblichen Eizelle (Ovulum) und der männlichen Spermazelle (Spermium). III. Beide Geschlechtszellen besitzen eine verschiedene "Zellseele", d. h. beide sind durch eine besondere Form von Empfindung und von Bewegung ausgezeichnet. IV. In dem Momente der Befruchtung oder Empfängniß verschmelzen nicht nur die Plasmakörper der beiden Geschlechtszellen un ihre Kerne, sondern auch die "Seelen" derselben; d. h. die Spannkräfte, welche in beiden enthalten und an die Materie des Plasma untrennbar gebunden sind, vereinigen sich zur Bildung einer neuen Spannkraft, des "Seelenkeimes" der neugebildeten Stammzelle. V. Daher besitzt jede Person leiblche und geistige Eigenschaften von beiden Eltern; durch Vererbung überträgt der Kern der Eizelle einen Theil der mütterlichen, der Kern der Spermazelle einen Theil der väterlichen Eigenschaften.
Durch diese empirisch erkannten Erscheinungen der Konception wird ferner die höchst wichtige Thatsache festgestellt, daß jeder Mensch wie jedes andere Thier einen Beginn der individuellen Existenz hat; die völlige Kopulation der beiden sexuellen Zellkerne bezeichnet haarscharf den Augenblick, in welchem nicht nur der Körper der neuen Stammzelle entsteht, sondern auch ihre "Seele". Durch diese Thatsache allein schon wird der alte Mythus von der Unsterblichkeit der Seele widerlegt, auf den wir später zurückkommen. Ferner wird dadurch der noch sehr verbreitete Aberglaube widerlegt, daß der Mensch seine individuelle Existenz der "Gnade des liebenden Gottes" verdankt. Die Ursache derselben beruht vielmehr einzig und allein auf dem "Eros" seiner beiden Eltern, auf jenem mächtigen, allen vielzelligen Thieren und Pflanzen gemeinsamen Geschlechtstriebe, welcher zu deren Begattung führt. Das Wesentliche bei diesem physiologischen Processe ist aber nicht, wie man früher annahm, die "Umarmung" oder die damit verknüpften Liebespiele, sondern einzig und allein die Einführung des männlichen Sperma in die weiblichen Geschlechts-Kanäle. Nur dadurch wird es bei den landbewohnenden Thieren möglich, daß der befruchtende Samen mit der abgelösten Eizelle zusammenkommt (was beim Menschen gewöhnlich innerhalb des Uterus geschieht). Bei niederen, wasserbewohnenden Thieren (z. B. Fischen, Muscheln, Medusen) werden beiderlei reife Geschlechts-Produkte einfach in das Wasser entleert, und hier bleibt ihr Zusammentreffen dem Zufall überlassen; dann fehlt eine eigentliche Begattung, und damit zugleich fallen jene zusammengesetzten psychischen Funktionen des "Liebeslebens" hinweg, die bei höheren Thieren eine so große Rolle spielen. Daher fehlen auch allen niederen, nicht kopulierenden Thieren jene interessanten Organe, die Darwin als "sekundäre Sexual-Charaktere" bezeichnet hat, die Produkte der geschlechtlichen Zuchtwahl: der Bart des Mannes, das Geweih des Hirsches, das prachtvolle Gefieder der Paradiesvöggel und vieler Hühner-Vögel, sowie viele anderen Auszeichnungen der Männchen, welche den Weibchen fehlen. (Vergl. Wilhelm Bölsche, Liebesleben der Natur, 3 Bände, 1901.)
Nun ist ja an sich das große Gebiet der Vererbung, für dessen ungeheuere Bedeutung uns erst Darwin (1859) das wissenschaftliche Verständniß eröffnet hat, reich an dunkeln Räthseln und physiologischen Schwierigkeiten; wir dürfen nicht beanspruchen, daß uns schon jetzt nach, 40 Jahren, alle Seiten desselben klar vor Augen liegen. Aber so viel haben wir doch schon sicher gewonnen, daß wir die Vererbung als eine physiologische Funktion des Organismus betrachten, die mit der Thätigkeit seiner Fortpflanzung unmittelbar verknüpft ist; und wie alle anderen Lebensthätigkeiten müssen wir auch diese schließlich auf physikalische und chemische Processe, auf Mechanik des Plasma zurückführen. Nun kennen wir aber jetzt den Vorgang der Befruchtung selbst genau; wir wissen, daß dabei ebenso der Spermakern die väterlichen, wie der Eikern die mütterlichen Eigenschaften auf die neugebildete Stammzelle überträgt. Die Vermischung beider Zellkerne ist das eigentliche Hauptmoment der Vererbung; durch sie werden ebenso die individuellen Eigenschaften der Seele wie des Leibes auf das neugebildete Individuum übertragen. Diesen ontogenetischen Thatsachen steht die dualistische und mystische Psychologie der noch heute herrschenden Schulen rathlos gegenüber, während sie sich durch unsere monistische Psychogenie in einfachster Weise vollkommen erklären.
Aus diesen Thatsachen allein schon läßt sich die unendliche Mannigfaltigkeit der individuellen Seelen- und Form-Erscheinungen in der organischen Natur begreifen. In extremer, aber einseitiger Konsequenz ergiebt sich daraus die Auffassung von Weismann, welcher die Amphimixis, die Mischung des Keimplasma bei der geschlechtlichen Zeugung, sogar als die allgemeine und ausschließliche Ursache der individuellen Variabilität betrachtet. Diese exklusive Auffassung, die mit seiner Theorie von der Kontinuität des Keimplasma zusammenhängt, ist nach meiner Ansicht übertrieben; vielmehr halte ich an der Ueberzeugung fest, daß die mächtigen Gesetze der progressiven Vererbung und der damit verknüpften funktionellen Anpassung ebenso für die Seele wie für den Leib gelten. Die neuen Eigenschaften, welche des Individuum während seines Lebens erworben hat, können theilweise auf die molekulare Zusammensetzung des Keimplasma in der Eizelle und Samenzelle zurückwirken und können so durch Vererbung unter gewissen Bedingungen (natürlich nur als latente Spannkräfte) auf die nächste Generation übertragen werden.
Gerade in feineren Züges des Seelenlebens, im Besitze bestimmter künstlerischer Talente oder Neigungen, in der Energie des Charakters, in der Leidenschaft des Temperamentes gleichen oft hervorragende Menschen mehr ihren Großeltern als den Eltern; nicht selten tritt auch ein auffälliger Charakterzug hervor, den weder diese noch jene besaßen, der aber in einem älteren Gliede der Ahnenreihe vor langer Zeit sich offenbart hatte. Auch in diesen merkwürdigen Atavismen gelten dieselben Vererbungsgesetze für die Psyche wie für die Physiognomie, für die individuelle Qualität der Sinnesorgane, der Muskeln, des Skeletts und anderer Körpertheile. Am auffälligsten können wir dieselben in regierenden Dynastien und in alten Adels-Geschlechtern verfolgten, deren hervorragende Thätigkeit im Staatsleben zur genaueren historischen Darstellung der Individuen in der Generations-Kette Veranlassung gegeben hat, so z. B. bei den Hohenzollern, Hohenstaufen, Oraniern, Bourbonen u. s. w., und nicht minder bei den römischen Cäsaren.
Indem wir dieses Grundgesetz auf die Entwickelungsgeschichte der Seele anwenden, müssen wir ganz besonderen Nachduck darauf legen, daß stets beide Seiten desselben kritisch im Auge zu behalten sind. Denn beim Menschen wie bei allen höheren Thieren und Pflanzen haben im Laufe der phyletischen Jahr-Millionen so beträchtliche Störungen oder Cenogenesen sich ausgebildet, daß dadurch das ursprüngliche, reine Bild der Palingenese oder des "Geschichts-Auszuges" stark getrübt und verändert erscheint. Während einerseits durch die Gesetze der gleichzeitigen und gleichörtlichen Vererbung die palingenetische Rekapitulation erhalten bleibt, wird sie andererseits durch die Gesetze der abgekürzten und vereinfachten Vererbung wesentlich cenogenetisch verändert (Nat. Schöpfgsg. S. 190). Zunächst ist das deutlich erkennbar in der Keimesgeschichte der Seelen-Organe, des Nerven-Systems, der Muskeln und dasselbe aber auch von ver Seelen-Thätigkeit, die untrennbar an die normale Ausbildung dieser Organe gebunden ist. Die Keimesgeschichte derselben ist beim Menschen, wie bei allen anderen lebendig gebärenden Thieren, schon deshalb stark cenogenetisch abgeändert, weil die volle Ausbildung des Keimes hier längere Zeit innerhalb des mütterlichen Körpers stattfindet. Wir müssen daher als zwei Hauptperioden der individuellen Psychogenie unterscheiden; I. die embryonale und II. die postembryonale Entwickelungsgeschichte der Seele.
Bei diesen älteren und niederen wasserbewohnenden Wirbelthieren besaß die Keimesgeschichte noch in viel höherem Grade den palingenetischen Charakter, wie es auch noch bei den meisten Fischen und Amphibien der Gegenwart der Fall ist. Die bekannten Kaulquappen, die Larven der Salamander und Frösche, bewahren noch heute in der ersten Zeit ihres freien Wasserlebens den Körperbau ihrer Fisch-Ahnen; sie gleichen ihnen auch in der Lebensweise, in der Kiemenathmung, in der Funktion ihrer Sinnes-Organe und ihrer anderen Seelen-Organe. Erst wenn die interessante Metamorphose der schwimmenden Kaulquappen eintritt, und wenn sie sich an das Landleben gewöhnen, verwandelt sich ihr fischähnlicher Körper in das vierfüßige, kriechende Amphibium; an die Stelle der Kiemen-Athmung im Wasser tritt die ausschließliche Luftathmung durch Lungen, und mit der veränderten Lebensweise erlangt auch der Seelen-Apparat, Nervensystem und Sinnes-Organe, einen höheren Grad der Ausbildung. Wenn wir die Psychogenie der Kaulquappen von Anfang bis zu Ende vollständig verfolgen könnten, würden wir das biogenetische Grundgesetz vielfach auf die Entwickelung ihrer Seele anwenden können. Denn sie entwickeln sich unmittelbar unter den wechselnden Bedingungen der Außenwelt und müssen diesen frühzeitig ihre Empfindung und Bewegung anpassen. Die schwimmende Kaulquappe besitzt nicht nur die Organization, sondern auch die Lebensweise und Seelenthätigkeit des Fisches und erlangt erst durch ihre Verwandlung diejenige des Frosches.
Beim Menschen wie bei allen anderen Amnioten ist das nicht der Fall; ihr Embryo ist schon durch den Einschluß in die schützenden Eihüllen dem direkten Einflusse der Außenwelt entzogen und jeder Wechselwirkung mit derselben entwöhnt. Außerdem aber bietet die besondere Brutpflege der Amnionthiere ihrem Keime viel günstigere Bedingungen für cenogenetische Abkürzung der palingenetischen Entwickelung. Vor Allem gehört dahin die vortreffliche Ernährung des Keims; sie geschieht bei den Reptilien, Vögeln und Monotremen (bei eierlegenden Säugethieren) durch den großen gelben Nahrungsdotter, welcher dem Ei beigegeben ist, bei den übrigen Mammalien hingegen (Beutelthieren und Zottenthieren) durch das Blut der Mutter, welches durch die Blutgefäße des Dottersackes und der Allantois dem Keime zugeführt wird. Bei den höchstentwickelten Zottenthieren (Placentalia) hat diese zweckmäßige Ernährungsform durch Ausbildung des Mutterkuchens (Placenta) den höchsten Grad der Vollkommenheit erreicht; daher ist der Embryo schon vor der Geburt hier vollkommen ausgebildet. Seine Seele aber befindet sich während dieser ganzen Zeit im Zustande des Keimschlafes, einem Ruhezustande, welchen Preyer mit Recht dem Winterschlafe der Thiere verglichen hat. Einen gleichen, lange dauernden Schlaf finden wir auch im Puppenzustande jener Insekten, welche eine vollkommene Verwandlung durchmachen (Schmetterlinge, Immen, Fliegen, Käfer u. s. w.). Hier ist der Puppenschlaf, während dessen die wichtigsten Umbildungen der Organe und Gewebe vor sich gehen, um so interessanter, als der vorhergehende Zustand der frei lebenden Larve (Raupe, Engerling oder Made) ein sehr entwickeltes Seelenleben besitzt, und als dieses bedeutend unter derjenigen Stufe steht, welche später (nach dem Puppenschlaf) das vollendete, geflügelte und geschlechtsreife Insekt zeigt.